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[Emil an Ruth, an seinem 32. Geburtstag]

Nr. 106, 18.11.42
(beantw. 22.11.42)

Meine allerliebste Ruth!

Heute bist Du nun nicht bei mir zum Geburtstag. Aber ich weiß, daß Du in Gedanken mit Deiner Liebe bei mir bist. Wir haben noch Vormittag. Vielleicht bekomme ich heute noch einige Zeilen von Dir wenn die Post kommt. Vielleicht auch erst morgen. Ich weiß ja, daß Du auch dieses Jahr mich täglich mit Sorge u. allen guten Wünschen begleitest. Es ist natürlich äußerlich wieder ein verlorenes, unnützes Jahr. Ein neues Kriegsjahr, von dem eigentlich niemand auf der Welt etwas haben kann, soweit der Krieg reicht. Aber man wird, bei all dem Elend was man erlebt und erfährt, doch reifer und klüger in der Beurteilung und der Kenntnis von Welt und Menschen. Man baut nicht mehr so auf sie, wie man es vielleicht in Zeiten tat, wo man viele eigene Pläne und Möglichkeiten hatte. — Man sieht, daß alle Menschenkunst unnütz und machtlos wird wenn den Mächten des Bösen derart freie Hand gelassen wird wie es heute geschieht. Ihr Schlechtestes und Teuflischstes setzen die Menschen gegeneinander ein "im finsteren Wahn." wie Schiller und Hölderlin es nennen. All dies schlimme Erleben kann uns aber furchtbar viel für die Zukunft und auch für unsere jetzige Haltung in Bezug auf das Leben und auf das Leben nach dem Tode lehren. Nämlich wie machtlos die angeblich Mächtigen dieser Welt dem Krieg und all seinen Zuständen gegenüber sind. Wie ihre Anbetung der Macht der Materialismus von Stahl und Dynamit nichts weiter ist, als heller Wahnsinn. Die Generation vor uns, die Älteren hatte das schon gewußt und waren doch machtlos gegen dieselbe Entwicklung wieder in den letzten 10 Jahren. Nun erfahren auch wir es und stehen damit vor der Aufgabe unsererseits den Versuch vorzubereiten, jeder für sich selbst, dieselbe schreckliche Entwicklung in Zukunft zu vermeiden. Schon heute müssen sich die Menschen, denen der Blick für das Wesentliche soweit geschärft ist, mit einer Zukunftsgestaltung befassen, die für eine Entwicklung des Lebens wieder Möglichkeiten bietet. Wir können aus diesen Jahren nur die Folgerung ziehen, daß wir künftig von Verhältnissen lassen müssen wo die reine Machtpolitik unser Leben regiert.

Ich habe zum heutigen Tage das Päckchen mit Keks hier gehabt, daß Du am 10.11. abgesandt hast. Ich danke Dir vielmals dafür, sie schmecken ganz hervorragend. Sie sind also nicht erst heute eingetroffen. Ich habe mir mit dem Tauchsieder im Kochgeschirr Pfefferminztee gemacht. Und dann recht süß und die Plätzchen dazu. Das war ein schönes Geburtstagsfrühstück. [Emil Hartwig *18.11.1910]

Erich hat mir einen schönen langen Brief geschrieben. Ich komme aber vorläufig nicht zum Schreiben. Nach Hause habe ich auch so ein Stück Butter geschickt, wie Du schon 2 erhalten hast. Außerdem geht heute ein Paket für Dich m. Mehl, Zwiebeln u. ein paar Äpfeln nach Lankw. Ich mußte es dahin schicken weil ich es Dir dort nicht noch auflasten wollte, daß Du es evtl. schleppen mußt. Mutter habe ich geschrieben, daß die Äpfel sich wohl nicht halten (es sind nur 6 ganz kleine) u. daß sie evtl. Apfelmus davon macht.

19.11.42.

Gestern kam noch pünktlich zum Nachmittag Dein Kuchenpaket an. Auch Papa hat mir geschrieben, wofür ich einstweilen vielmals danken lasse. Auch danke ich recht herzlich allen Lieben dort für die Geburtstagswünsche. Besonders aber muß ich Dir, Liebste, danken für Deine lieben Worte und den schönen Kuchen. Außer dem Brief im Päckchen erhielt ich noch Deinen Brief v. 15. (47.). Für heute habe ich keine Zeit mehr ausführlich zu antworten. Hoffentlich verlebt Papa seinen Geburtstag auch recht schön. Ich habe abends mit dem Kameraden Quiring von dem ich Dir mal schrieb, zusammengesessen. Wir haben uns sehr nett unterhalten und zum Schluß noch etwas in der hl. Schrift gelesen. (2 Kor. u. 1 Psalm)

Übrigens lasse ich Mutti noch bestens für die wunderbaren Pralinen danken.

Beiliegende Karten schicke mir bitte wieder zurück. Daß Klein-Wieland schon mit einem Sträußchen gratulieren würde ist zwar nicht anzunehmen aber er würde es schon auf seine eigene Art machen mit seinen 3/4 Jahren. Gib ihm einen recht schönen Kuß von mir. Und Dich möchte ich auch küssen u. sende

Euch allen die besten Grüße Emil


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