zurück« - Text - RR - Übersicht - weiter»
[Ruth an Emil (EOH)]

Nr. 45, Landsbg. W., den 11. Nov. 1942
(Eing. 15/11)

Mein liebster Emil!

Heute haben wir nach verschiedenen Regentagen wieder mal herrlichen Sonnenschein, aber es ist auch gleich kälter geworden. Um 5 Uhr haben wir schon 2° Kälte. Ich war von 1/4 12 - 1 Uhr mit W. draußen. Um 1 Uhr kam ich durchgefroren u. hungrig nach Hause.

Nun will ich auf Deine letzten drei Briefe näher eingehen. Inzwischen ist kein weiterer eingegangen. Die Bilder haben Dir gefallen und die Vergrößerung in Postkarte auch. Ich werde aber vorläufig keine Vergrößerungen machen lassen, denn die sollen fürs Album sein u. da genügen sie kleiner. Wenn Du aber für Dich noch gerne von ein paar Bildern Vergr. haben möchtest, dann lasse ich sie noch machen. Von allen Bildern hatte ich je 3 Abzüge machen lassen und als Tante Fritzchen am Sonntag hier war, hat sie mir gleich je einen Abzug ausgespannt. Sie sollte sowieso welche haben, denn den Wieland kann sie im Bilde haben. —

Du schreibst „es ist doch traurig, wie lange die Völker brauchen bis sie sich einig sind, wer nun gesiegt hat“. Nach den letzten Ereignissen u. der heutigen Nachricht um 1/2 1 Uhr sieht es noch böser aus. Es wird immer trauriger und die Angelegenheit "Krieg" wird immer verwickelter. Ich möchte überhaupt nicht mehr denken. Ich sage auch, Gott sei Dank, daß Wieland noch nicht mitreden kann, aber in die Zukunft dürfen wir auch nicht schauen. —

Nein, die Bonbons haben uns gar nicht geschmeckt. ich glaube bald, Du hast mit Absicht nichts auf den Umschlag geschrieben u. es bedauert, daß Du nicht sehen konntest, wie wir gespuckt hatten.

Du meinst also, daß wir mit Uli immer noch die Ruhe bewahren sollen. Vielleicht hängt es auch mit den letzten Ereignissen zusammen, daß er sich gar nicht melden konnte. Ich glaube doch, es ist besser, man gewöhnt sich das Denken ab, dann bekommt man nicht unnötig Kopfschmerzen. —

Deine ganzen Wünsche habe ich mir notiert und werde Dir von Lankw. alles schicken. Es wird nun aber leider erst ab 1.1.43 gehen, denn, wie Du mir mitgeteilt hattest, kann ich ab 1.12. nur 20gr Briefe schicken. — Daß Du mit meinem Kuchen u. der Zahnbürste zufrieden bist freut mich. Hoffentlich kann ich Dir noch öfter einen Kuchen backen.

Der Eierkarton wird wohl nun doch flöten gegangen sein, aber er war leer. Den Bismarck-Film habe ich mir doch nicht angesehen, so oft komme ich doch nicht von Zuhause weg. Morgen will ich mit Lotte u. Mutti ins Kino gehen. Falstaff in Wien oder Andreas Schlüter mit Heinr. George werden wir uns ansehen. Deine großen Bücherwünsche werde ich Dir wohl nicht erfüllen können. Nach „Unterg. d. Abd.Landes“ v. Osw. Spengler und „Heiligenhof“ habe ich gefragt, aber nicht bekommen. Beide Bücher werden so schnell nicht wieder hereinkommen. —

Am Montag war ich bei Bahr & Clemens. Ich habe noch ??? ??? Punkte an ??? ??? 3 ??? Kl. Karte und wollte mir noch etwas warmes und nettes für den Winter kaufen. Es ist aber auch nichts mehr zu wollen, nicht ein paar Strümpfe kann ich mir kaufen. Wollene Strümpfe und Handschuhe werde ich wohl nicht mehr bekommen, aber vielleicht bekomme ich noch ein paar wollähnliche Strümpfe für Dich zu kaufen. Die Abteilungsleiterin in der D.Konfektion sagte mir: behalten sie alle ihre alten Sachen und geben sie nichts weg. Es werden Punkte und Bezugsscheine da sein, aber keine Ware. Sie hat jetzt Sommerkleider hereinbekommen, alles Serienkleider, und Mäntel werden so gut wie gar nicht reinkommen. In der Hauptsache gibt es nur Ware auf Bezugscheine für Bombengeschädigte, was nur richtig ist, und deshalb müssen wir unsere alten Sachen festhalten. [2 1/2 Jahre vor Kriegsende, WH] Irene . Ich möchte Dir nun ganz ehrlich sagen, daß ich schon einmal mit dem Gedanken gespielt habe, mir aus einem alten Jakett eine Jacke machen zu lassen u. zwar wollte ich den Stoff wenden. Außerdem soll aus den alten Jacken, die du nicht mehr trägst, Wieland später einen Anzug oder Mantel bekommen, daran hatte ich schon gedacht, als ich mir Deine Anzüge im alten Schrank ansah. Von meinen alten Sachen habe ich auch selten etwas weggetan und ich glaube, es war immer richtig. Es ist nun schwer zu sagen, ob Irenes Tochter aus einem alten Jackett von Dir ein Kleid bekommen kann, denn schlechte Stücke müssen immer herausgeschnitten werden. Es müßte dann wohl ein ganzer Anzug nötig sein. Ich überlasse es nun Dir, ob Du deiner Schwester von Deinen alten Sachen etwas abgibst. So viel mir in Erinnerung hast Du wohl 2 Jacketts und evtl einen blauen Anzug, den Du vielleicht nicht mehr tragen wirst. —

Mäuse hast Du also auch als Stubenkameraden, das ist gerade nicht erfreulich. Hoffentlich hast Du sie nicht gerade in deinem Bett. Gerade wenn die Nährmittel knapp sind, dann finden sich auch noch solche Tierchen ein. Wir haben nämlich auch eine Maus mit den Kartoffeln (wahrscheinlich) in die Wohnung gebracht, die wir nicht rauskriegen.

Deine Konto-Nr. vom Banksparbuch in Berlin-Halensee ist 135 420. Die Postscheck-Nr. von dieser Bank kann ich Dir nicht nennen. Unser Giro-Konto bei der Dresdner Bank Bln-Lankwitz ist 3655. Das Postscheckkto. dieser Bank ist Bln: 25093. Daß ich das Geld von Herrn Wagner schon habe, schrieb ich Dir schon. Anbei seinen Brief zurück.

Liebster Emil, ich denke doch, daß ich morgen wieder ein Lebenszeichen von Dir habe. Wie ich nun aus Deinen letzten Briefen ersehen habe, hast Du immer viel zu arbeiten und fällst auch totmüde ins Bett. Wieland mache ich jetzt abends schon vor 10 Uhr fertig, aber dadurch ist der Abend für eine Arbeit immer zu kurz und deshalb schreibe ich gewöhnlich nach 10 Uhr noch. früh um 7 Uhr bekommt W. die erste Mahlzeit. Am Montag habe ich mich wieder auf der Post gewogen. Da ich jetzt sehr viel esse, in der Hauptsache Milchsuppen und Kartoffeln auch früh und abends, dachte ich, ich habe seit dem 16.10. wieder was zugenommen, aber ich habe noch das vorige Gew. v. 89 Pfund.

Herzlichen Gruß und Kuß von Deinen beiden, die Dich lieben, Ruth u. Wieland.


zurück« - nach oben - RR - Übersicht - weiter»