Inhalt:
die Aufgaben der Arbeitersekretäre
der Zusammenhalt in der Arbeiterbewegung
die Haltung der Arbeitersekretäre
gerechte Bewertung der Arbeit der Sekretäre

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- Emil Karl HARTWIG -


(Aus "Evangelisch-soziale Stimmen" vom Febr. 1918, Heft 2, Seite 8)

Aus der evangelischen Arbeiterbewegung

Die großen Zukunftsaufgaben, die nach W. Langner (Siehe Nr. 1. d. E. S. St.) auch die evangelische Arbeiterbewegung zu erfüllen haben wird, werden an die geistige, agitatorische und bildende Leistungsfähigkeit der evangelischen Arbeiterführer die höchsten Anforderungen stellen. In eingehender Weise behandelt in der "Deutschen Arbeit" Gewerkschaftssekretär Fromm diese Frage für die gewerkschaftliche Arbeit. Das, was dort vom Gewerkschaftsbeamten gesagt wird, gilt im übertragenen Sinne auch für den evangelischen Arbeiterführer. Unsere Sekretäre werden ihre ganze Kraft daran setzen müssen, um sich eine gründliche volkswirtschaftlich-soziale Bildung anzueignen. Auf dem grundlegenden Gebiet der sittlichen Kulturfragen müßten sie zu Hause sein. Diese Bildungsarbeit muß, den Lebensaufgaben entsprechend, nach einheitlichen Grundlinien geschehen. In Wort, Schrift und Tat müssen die Arbeitersekretäre das Ziel der evangelischen Arbeiterstandesbewegung verkörpern. Eine einheitliche volkswirtschaftlich-soziale Überzeugung muß sie verbinden. Hand in Hand damit geht die Erreichung eines einheitlichen sozialen Standesrechts. Die Geschlossenheit religiös-sozialen Denkens muß ihr Ziel sein.

In der Vergangenheit lag ein Krebsschaden unserer Bewegung in der Tatsache, daß praktische und ideelle Durchsetzung von Arbeiterstandesforderungen ohne gegenseitige Fühlung zwischen Arbeitervereinen und Gewerkschaften, ja oft mit gewollter Absonderung, vor sich ging. Das lag zumeist daran, daß die Arbeitersekretäre nicht führende sondern ausführende Organe waren, die offiziellen Führer aber, denen das Verdienst, die Bewegung geschaffen und mit getragen zu haben, bleibt, als nicht zum Stand gehörig, manchmal daneben griffen. Die evangelische Arbeiterschaft, wie die deutsche Arbeiterschaft im allgemeinen, hat den Beweis erbracht, daß sie fähig ist, für Standensfragen die Führer aus sich heraus zu stellen. Wird dieser Forderung Rechnung getragen, so wird ein reges Miteinanderarbeiten von praktischer und ideeller Arbeiterstandsarbeit leicht zu erzielen sein. Die evangelischen Gewerkschaftsführer und die Arbeitersekretäre müssen, wie es auf katholischer Seite der Fall ist, in Zukunft solidarisch in der evangelischen Arbeiterbewegung zusammen wirken und standesschädliche Absonderungen bekämpfen. Für den Arbeiterführer ist die Grundlage gedeihlichen Wirkens unter den Standesgenossen die Bewahrung echten Zusammengehörigkeitsgefühls mit den Standesgenossen. Unbeschränktes Vertrauen läßt dann jeden Pulsschlag und jede Lebensäußerung der Standesbewegung bei ihm, dem Führer, anklingen. Einfachheit in der persönlichen Lebensführung, vorbildliche Standesarbeit auch in kleinen Dingen, wird solchen Führern die treue Gefolgschaft der Bewegung sichern.
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Das Leben des Arbeiterführers ist dornen- und opfervoll, wenn es von dem Idealismus beherrscht wird, der allein jene Begeisterung weckt, ohne die eine große Bewegung nicht denkbar ist. Die eigene Persönlichkeit, Familienleben, Sonntag und Feierabend erhalten ihr Recht nur, soweit sie dem Gedeihen der Bewegung nicht hinderlich sind.

Eine Arbeiterbewegung, die solche Anforderungen an ihre Führer stellt, muß dementsprechend ihre Führer auch wirtschaftlich und sozial werten. Die heutige Lage ist oft unbefriedigend. Wird hier Abhilfe geschaffen, dann wird das Klagelied der Vorstände: "Die tüchtigsten Beamten verlassen die Bewegung!" verstummen. Bisher traf es oft zu. Zwingende Verhältnisse haben manchen tüchtigen Sekretär aus der evangelischen Arbeiterbewegung in die Gewerkschafts-, Genossenschafts-, Arbeitsnachweis-, Krankenkassen- oder politische Arbeit geführt.

Hier und da haben auch Sekretäre ihr Amt verlassen, weil Arbeitgeber auf Grund finanzieller Leistungen zu starken Einfluß ausübten. Die Arbeitervereine können die Zukunft der Millionen evangelischer deutscher Arbeiter zielgebend beeinflussen, wenn die erörterten Fragen im hier wiedergegebenen Sinne gelöst werden. Bewegung und Führer sind eins. Vernachlässigung oder Zurücksetzung des einen Teils ist Stockung oder Niedergang des Ganzen.

E. Hartwig, Arbeitersekretär, Bielefeld.


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(Quelle: Bibliothek des Diakonischen Werkes der EKD - Allensteinstr 53, Berlin-Dahlem)


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Erstellt am 5.1.98 - Letzte Änderung am 31.1.1998.
Winfried Hartwig
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