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[Brief von Mutter Anna Hartwig (Lankwitzer Oma) an Ruth in Landsberg]

Schötmar, den 13.1.45
(beantw. 19.1.45.)

Liebe Ruth und Kinder!

Nun haben wir das Weihnachts- und Neujahrsfest wieder hinter uns, wir wollen mit Gott hoffen, daß es ja wohl das letzte Jahr sein wird in diesem Jahre. Ruth ich möchte doch mal gerne anfragen ob Du den Brief, mit den Punkten erhalten hast, ich hatte es per Einschreiben geschickt. Auch danke ich dir nochmals für die Unterhose und auch für das Geschenk für Weihnachten, das kann ich doch nicht verlangen sein. Also nochmals vielen Dank dafür.

Wie geht es Dir? Bist Du gut mit den Kindern in das Neue Jahr gekommen und war Emil die Feiertage bei Dir? Winfried ist nun auch wohl schon ein Jahr alt und ich habe ihn noch nicht gesehen. Ich würde Dir ja gerne was schicken für die Kinder, aber ich bekomme hier nichts. Liebe Ruth, habt Ihr da bei Euch auch viel Alarm? Oder ist es auszuhalten. Oskar wird jetzt auch Unteroffizier. Oskar lag in Hermsdorf im Lazarett hatte Diphterie ich hatte Emil die Adresse geschickt. Oskar war aber schon wieder entlassen, er hatte nämlich am 9.1.45 seinen, ich glaube, 30. Geburtstag. Marta, Oskars Frau, habe ich schon zweimal geschrieben, sie läßt aber nichts von sich hören. Emil schrieb mir, Du wärst damals hin gewesen, wie Du in Berlin warst, wie ging es Marta mit den Kindern? Hat sie eine schöne Wohnung?

Ja Ruth, wann ist der Krieg wohl mal zu Ende? Beim letzten Angriff auf Berlin hat unser Haus wohl nichts abgekriegt. Hier war am vorigen Sonnabend wieder ein schwerer Angriff. Sie machen hier nicht nur die Städte, nein auch die Dörfer alle kaputt. Wir müssen hier viel im Keller sitzen. Wenn sie hier einen Angriff machen auf Bielefeld, Herford oder sonst wo, dann nehmen sie immer den Anlauf von Schlötmar, dann denkt man, das ganze Haus fiele einem auf den Kopf zusammen. Die Leute die in den Städten wohnen, liefen immer auf die Dörfer in den Wald und nun machen sie die Dörfer alle kaputt. Etliche Bauern haben schon ihr Ganzes aufgeben müssen, weil das ganze Haus kaputt ist und dazu das Land Trichter an Trichter oft, manchmal ein ganzes Hundert. Macht sich keiner ein Bild davon, der es nicht selber sieht.

Nun liebe Ruth wir schlafen bei meiner Schwester im Keller, mein Schwager hat ihn schön abgesteift, da ist nicht anderes drin wie Betten und ist sehr trocken. Nun Ruth habe ich dir ja so allerhand mitgeteilt. Unser Hellmut hat schon seit Mai nichts von sich hören lassen und unser Günter auch nicht. Die Briefe von Günter habe ich alle wieder zurück bekommen Auf neue Anschrift warten.

Vater ist am 19.1.45 nun schon zwei Jahre tot, wie die Zeit vergeht. Ich werde Vater aber nicht, so lange ich lebe, vergessen. Nun liebe Ruth grüße Deine Eltern und Geschwister, Deine Brüder von mir.

Sei Du recht herzlich gegrüßt geküßt auch Wieland und Winfried
von Oma und Mutter.


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