Abschrift
(Abschrift eines in Sütterlin auf Kanzleipapier geschriebenen Textes, der wohl der Beginn eines Tagebuchs werden sollte, dann aber nicht weitergeführt wurde, da er vermutlich seinen Zweck erfüllt hatte. Mein Vater kann ihn nicht mehr genau datieren.
Seine Situation damals war folgende: Am 14. 9. 1917, zwei Monate bevor er 7 Jahre alt wurde, verstarb seine Mutter. Am 18. 6. 1918 heiratete der Vater erneut, schon um die vier Kinder versorgen zu können, wovon das jüngste, Hellmut, am 13. 4. 1917 zur Welt gekommen war.
In dieser Situation versucht der vielleicht 9, 10, 11 oder 12 Jahre alte Emil - durch die Niederschrift - sich die Situation, als seine Mutter noch lebte, so genau es ging, in Erinnerung zu rufen.)

E. Hartwig - 1920 Tagebuch für Emil Hartwig, geb. 18. Nov. 1910 z. Bremen

zum Ende der Seite

Ich schreibe jetzt von da an, wo ich 6 Jahre alt war.


(„Der Anfang des Tagebuches”)

Ich war in Bremen geboren, und dort war mein Vater Sekretär. Mein Vater zog damals fort, nach Friedenau und dann zogen wir weiter nach Bethel bei Bielefeld. Dort wohnten wir am Friedhofsweg No. 15. Wir hatten ein hübsches Haus mit 1 Etage, einem Boden, einem Keller, Waschküche, Laube und Garten. Unten parterre da waren drei Eingänge. Die Haustür, eine Seitentür und eine Tür durch die Laube. Dann war, wenn man durch die Haustür in das Haus ging, an der Tür ein kleiner Steinraum, wo man die Garderobe ablegen konnte. Dann kam man durch eine Glastür an den Flur, rechts von der Glastür war das Telefon, vom Flur aus kam man in die ebenfalls rechts liegende Deele oder Diele wie wir sie nannten. Diese war ein sehr großer Raum, man könnte sagen Saal. Hier war alles Linoleum und schöne Bilder an den Wänden. Hier ging auch der Eingang durch die Laube herein. Der Eingang war eine sehr große Glastür. Alles was von Holz davon war, war weiß gestrichen. Wenn man in das beste Zimmer wollte, so mußte man durch die Diele gehen und von hier durch eine Tür rechts an der Wand kam man ins gute Zimmer wie wir es immer nannten. Dort hatten wir einen großen Kachelofen der zugleich die Diele mitheizte. Ganz hinten stand ein Klavier. Dann war Sofa und alles andere was in ein Zimmer gehört auch dort. Dann war Parterre noch eine Küche und das Eßzimmer. Unten war auch noch Waschküche und Keller.

Dann konnte man noch, wenn man zum ersten Stock wollte, eine Treppe hinaufgehen und dann kam man an ein Schlafzimmer wo die Dienstmädels schliefen. Etwas höher noch war die Stube, wo wir Kinder und auch die anderen den Tag verbrachten. Hier konnte man noch den hinter dem Hause liegenden Wald sowie gegenüber nach unserem Nachbar sehen. Es war herrlich in dem Zimmer, wenn die Sonne aufging, schien sie gerade in das Zimmer hinein. Hier war auch ein Schreibtisch für Vater und an der anderen Seite ein Bücherregal. Ich hatte dort auch einen Schrank für mich, wo ich meine Sache drin hatte. Dann waren auch noch ein Schlafzimmer für meine älteste Schwester, eine jüngere Schwester und mein Bruder Oskar.

Die Reihenfolge der Kinder bei uns war folgend: erst Irene, dann Emil, also ich, dann Klara oder Klärchen und Oskar und Hellmut. Mein Vater heißt wie ich Emil, und ist gebürtig aus Hagen in Westfalen. Meine Mutter hieß Klara und war in Herdecke an der Ruhr geboren. Nun aber will ich weiter unser Haus beschreiben.

Nach dem erstgenannten Schlafzimmer kam das Zimmer, in dem meine Eltern, Hellmut und ich schliefen. Nebenan war ein Raum in dem die Dienstmädchen schliefen. Dann ging von der ersten Etage aus eine Holztreppe mit einem Geländer zum Boden hinauf. Wir Kinder versuchten immer wer die meisten Stufen hinunterspringen konnte und wer vom Boden die Treppe hinunter zum ersten Stock und von da aus noch eine Treppe hinunter zuerst im Freien war. Nun wenn man die Bodentreppe hinaufging mußte man eine Klappe hochmachen und man war auf dem Boden. Hier versteckten wir uns wenn wir spielten. Und dann waren auf dem Boden alte Flaschen, Lumpen, und vielerlei Gegenstände, auch war immer ein Haufen Heu da, wir Kinder kletterten da bis zum Bodenfenster hinauf, und ließen uns in das Heu hineinfallen. In der Mitte des Bodens wurde Wäsche aufgehängt. Und auf der anderen Seite standen die Einmachgläser. Man hatte auch eine wunderschöne Aussicht von da oben.

Nun bleibt nur noch der Keller. Da waren zwei Kellerräume, der eine für Kohlen und Holz, der andere für Kartoffeln. Dort standen aber auch noch die Fässer für Sauerkohl. Nun bin ich ja wohl bis auf die grünen Fensterläden und der Laube mit der Beschreibung des Hauses fertig. Die Laube war mit weißen sehr festen Holzstangen gebaut und ganz mit Rosen an der einen Seite und mit wildem Wein an der anderen Seite umsponnen. An der einen Seite der Laube waren der Sandkasten in dem wir unsere Burgen bauten und die Mädels Bäcker spielten. An der anderen Seite der Laube waren dicht an der Hausmauer drei Birnbäume und davor meist Bohnen gepflanzt. An der Ecke waren Sträucher mit Fencheltee. Dann waren an derselben Seite auch noch Rasen zum Bleichen und ein Kirsch- und Apfelbäume, auch waren da noch Stangenbohnen. An der Hecke rankten schöne rosane Glockenblumen empor. Diese Seite des Hauses und des Gartens war die nach Kuhlmanns, wie unsere Nachbarn an der rechten Seite, wenn man ins Gartentor ging, hießen. Die an der linken hießen Bades und diese linke Seite des Hauses will ich jetzt beschreiben.

Also wenn man ins Gartentor hineinging linker-Hand waren am Haus entlang Blumen gepflanzt und dort gingen auch die vier Stufen zum Haupteingang empor. Weiter am Hause entlang kam eine vorspringende Ecke und da gingen zwei Stufen hinunter in eine zweite Tür, zu der es wieder eine Stufe emporging. Am Ende der linken Seite des Hauses die fünf Schritte von den tiefergehenden zwei Stufen entfernt war, ging es wieder zwei Stufen höher und hier war also ein kleines Bassin, zumal da es noch betoniert war. Hier sammelte sich auch nach starkem Regen das Wasser bis zwei Fuß hoch an. Infolgedessen versahen wir uns mit den Kübeln in der Waschküche und konnten gleich von der Haustür aus die Kübeln ins Wasser setzen und hineinsteigen und wir gondelten stolz auf unserem Schiffe von einem Ufer zum anderen.

Nun weiter, bisher habe ich die rechte Seite vom Wege dem Hause zu beschrieben, jetzt will ich auf die linke übergehen, dort sind Beete und am Zaun Himbeersträucher. Auch stehen zwischen den Beeten Stachel und Johannisbeersträucher. Das ist die Seite nach unserem linken Nachbar Bade hin. Jetzt will ich die Seite vorm Hause, nach der Straße zu beschreiben. Dort waren dicht am Haus auch Beete aber dazwischen schöne Rosensträucher. Gelbe, rosare, weiße und dunkelrote. Nach diesen Beeten kam ein Weg und auf der anderen Seite waren wieder Beete bis zum Zaun, der eine Rotdornhecke war. Dann war vorn noch die Gartenpforte, durch die man in den Garten hinein ging.

Jetzt muß ich noch die Seite hinter dem Hause nach dem Walde zu beschreiben. Also hinter dem Hause war Wald der uns bis zum Zaun gehörte. Es war dort am Zaun zwischen Bades und uns. Der Hühnerstall war aus Brettern gebaut und mit Teerpappe von allen Seiten beschlagen. Es waren zwei Räume darin. 1 großer für die Hühner und ein kleiner für Spaten, Hacken und sonstige Gartenwerkzeuge. Auch standen ein paar Bretter darin und Säcke. In Hühnerstall waren zwei Fenster und in der Kammer nebenan eins. Am Hühnerstall war ein Hof aus Draht, durch eine kleine Tür mit dem Hühnerstall verbunden. Wenn wir Kinder auf den Zaun stiegen, kletterten wir von da aus auf ein kleines Bäumchen und dann auf den Hühnerstall, es war ja auch herrlich da oben. Dann war vorne dicht am Haus eine Laube, die aus Schwarzdorn und Hartbuche bestand. Dann waren etwas weiter zwei Bäume, wo eine Teppichstange war, die Vater dort angebracht hatte. Diese Teppichstange wurde auch häufig zu unseren Turnübungen benutzt. Weiterhin waren zwischen zwei Bäumen noch Ringe und Schaukel. Dann waren dort zwei Bäume, die sehr dünn waren und 5 Hand breit nebeneinander waren. Da befestigte ich ziemlich an der Spitze ein Brett mit Draht und schaukelte dort. Dann war hinten die rechte Ecke meist dazu benutzt um meine Höhlen und Lauben zu bauen. Dann war der Garten durch einen hölzernen Zaun abgeschlossen, in den eine Pforte in den wundervollen Wald gingen, wo wir auch bald auf den Kirchhof gehen konnten. Wenn im Frühling die breiten Blätter der Buche schön entwickelt waren, war der ganze Wald grün. Dann zogen wir Kinder hinaus pflückten Blätter ab und bauten uns Hütten, spielten Kaufmann oder sonst so etwas. Das war also sehr schön bei uns. Ich werde auf der nächsten Seite Bilder der verschiedenen hier genannten Hausseiten nachfolgen lassen. Ich werde die Bezeichnungen möglichst daran schreiben.

Wir, daß heißt ich (Die anderen waren noch zu klein), ging auch zu den anderen Kameraden meines Alters. Ich war war damals wohl 7 Jahre alt. Und wir spielten irgend etwas. Entweder wir spielten bei meinem Freunde Hellmut Kauls Schnipp-Schnapp oder ich sah mir bei Harald Seiler die Briefmarken die der gesammelt hatte an. Die beiden Freunde (die ich im Grunde überhaupt nicht leiden konnte) konnten sich nun aber sehr gut verstehen und welcher Meinung Hellmut war, mußte sich Harald unbedingt anschließen. So daß ich und die beiden stets verschiedener Ansicht waren. Das artete oft in eine Rauferei aus wobei einmal ich und dann wieder die beiden den Kürzeren zog. Ich war wohl einem von ihnen überlegen, doch beiden konnte ich nichts anhaben und riefen sie nun gar noch Karl und Gerhard Blecher herbei, dann wurds für mich brenzlich. E. Hartwig - 1916 Ich muß noch bemerken, daß ich schon als 7 jähriger sehr geschickt im Klettern war, mein Freund (den hatte ich wirklich gern) war Werner Döring, der auch, wenn auch ein Jahr jünger, wie wir eine Kletterkatze war. Wir taten es den anderen weitzuvor und dadurch rettete ich mich auch oft vor meinen Feinden, dem Vierbund.


Das Haus „in Wirklichkeit und heute”
War ich nun wieder den Vieren und gar noch in Kauls Garten, feindlicher Absicht gegenüber, so galts ein, zwei Sätze, um mit einer feindlichen Mütze auf den nächsten Baum zu entfliehen. Wenn mir einer nachkam, so hängte ich die Mütze oben auf der Spitze des Baumes auf und kletterte ihm entgegen. Dann tat ich so als wenn ich Angst hätte und kletterte den Baum wieder hinauf über eine schwierige Stelle hinweg und sobald der andere auch darüber war, kehrte ich um und er konnte jetzt so schnell nicht wieder herunter - faßte ihn und mit einem wurde ich schon fertig, zumal in den Bäumen in meinem Revier. So hatte ich Gesellschaft und ehe sie sich nicht bis zu einer entfernten Stelle zurückgezogen hatten ließ ich den Gefangenen nicht frei, war das geschehen, so gings schnell den Baum hinunter und übern nächsten Zaun in den Wald, auf solch einer Hetze im Wald, da hätten sie mich ja doch nicht gekriegt.

Ein Tag bei uns.
Wachte ich des morgens auf, so gings ins Zeug. Das nächste war meinen Eltern und Geschwistern Guten-morgen sagen und dann Kaffeetrinken. Hatte ich das getan, so ging ich noch etwas nach draußen und spielte. Sodann gings zur Schule. Wir hatten damals Lehrer Kaiser als Klassenlehrer. Es war ein großer Hof, der zwei Eingänge hatte. Die ganze Schule war ein Sandsteinbau, sie war sehr schön. Nach der Schule ging ich nach Hause in Begleitung von den Schulkameraden. Dann aßen wir und machten Schularbeiten. Nachmittags gingen ... (Rest fehlt)

E. Hartwig


zum Seitenanfang

Erstellt am 10.02.98 - Letzte Änderung am 20.04.2012.
Zurück zur E.K.H.-Leitseite oder zur eigenen Leitseite (E.O.H.