(Eine Veröffentlichung aus dem Jahre 1924)
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Ev.-soz. Schule
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Evangelisch-soziale Schule e.V.

Die Evangelisch-soziale Schule wurde durch Beschluß der evangelischen Arbeitersekretäre bei ihrer jährlichen Zusammenkunft im August 1912 in Bethel gegründet. Die dabei leitenden Männer, denen die Schule das Beste verdankt, waren unter manchen andern: Pastor D. Weber, Pastor D. Jaeger und die Arbeiterführer und Abgeordneten Behrens und Hartwig.

Die Evangelisch-soziale Schule sollte der evangelischen Arbeiterbewegung, den evangelischen Arbeitervereinen und dem evangelischen Teil der christlich-nationalen Gewerkschaften das geben, was der katholische Flügel und die marxistisch geführte Arbeiterschaft längst besaßen: Ein Bildungswesen.

Sie sollte tüchtige Berufsarbeiter der Arbeiterbewegung in Gesinnungspflege und theoretischer Schulung heranbilden, auf der Grundlage des evangelischen Glaubens, des deutschen Volkstums, ernster, sozialer Verantwortung und gesunder Standesvertretung . Sie wollte dadurch und auch darüber hinaus in weiteren Kreisen der Volksbildung in staatsbürgerlicher, wirtschafts- und sozialpolitischer Hinsicht dienen. Sie wandte sich auch an alle anderen Stände, die in ihrer Berufstätigkeit mit der "sozialen Frage" nach allen ihren Verzweigungen und Zusammenhängen zu schaffen haben, an die Geistlichen, Lehrer, Studenten, Unternehmer, Landwirte und Frauen. Sie sollte bei alledem niemals ein "Tummelplatz theologischer Meinungsverschiedenheiten und parteipolitischer Kämpfe" werden.

Die Hauptaufgabe der Evangelisch-sozialen Schule war die Veranstaltung von Lehrgängen und Konferenzen; sei es von längeren ständigen am Sitz der Schule, sei es von kürzeren Wanderkursen, überall im Lande, wo Bedarf danach war.

Mit der Schule verbindet sich die deutsche evangelische Sekretärvereinigung, d. i. die Organisation der evangelischen Berufsarbeiter in der Arbeiterbewegung, die jährlich zusammenkommt, um die innere Verbundenheit aus ihrem Grunde heraus zu erneuern und sich über den Fortgang der Arbeit auszusprechen. Ferner gehört zur Schule das soziale Sekretariat, d. i. die Anstellung eigener Sekretäre überall im Lande, wo Bedarf und Möglichkeit dafür ist, um die Arbeit der Schule vorzubereiten und fortzuse tzen, im engen Zusammengehen mit den evangelischen Arbeitervereinen und den christlich-nationalen Gewerkschaften.

Die Schule hat alsbald nach ihrer Gründung tatkräftig mit ihrer Arbeit begonnen und unter Heranziehung hervorragender Dozenten eine große Zahl von Lehrgängen für die verschiedenen Gruppen, an die sie sich wendet, gehalten, insbesondere im Verlauf ihrer Arbeit mehre 100 Sekretäre ausgebildet.

Der Krieg hat dieses Wachstum jäh unterbrochen und dauernd eingeschränkt; auch die schweren Zeiten der Not, die folgten, haben natürlich die Arbeit der Schule sehr gehemmt, was um so schmerzlicher und bedenklicher war, als die Aufgaben nun noch unvergleichlich wuchsen.

Um ihre Arbeit auf eine breitere Grundlage zu stellen, wurde die Schule im Oktober 1921 in das Johannesstift nach Spandau verlegt. In drei Häusern hat sie sich dort ihre Geschäftszimmer, ihre Unterrichts- und Büchereiräume und ihre Dienstwohnungen eingerichtet. Durch die Arbeitsgemeinschaft mit dem Johannesstift verfügt sie über Hörsäle und Unterbringungsmöglichkeiten für 150 - 300 Kursteilnehmer, überläßt diese auch gesinnungsverwandten Organisationen zur Abhaltung ihrer Veranstaltungen und hat so die Voraussetzungen für ein reichgestaltetes Vortrags- und Kurswesen geschaffen.

In den schlimmsten Zeiten des deutschen Währungsverfalles und wirtschaftlichen Niederganges hat auch die Evangelisch-soziale Schule mit großen organisatorischen und finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Sie hat nun ihre Arbeit neu einzurichten. Sie unternimmt das von dem Grundgedanken aus, der aus ihrer Überlieferung erwachsen ist: in lebendigem Zusammenhange mit den sozialen Aufgaben der evangelischen Kirche und all ihren sozial arbeitenden Stellen, in Verbindung auch mit der Inneren Mission, besonders nach seiten der Apologetik und Volksmission, im Anschluß an alle freien Organisationen, die soziale Arbeit im evangelischen Sinne pflegen, fördern und zusammenfassen, in Gemeinschaft mit all den Gruppen der Arbeiterbewegung, aus denen sie ursprünglich entstand, ist sie eine wirtschafts-, sozial- und kulturpolitische Bildungsanstalt, die das Leben unseres Volkes in seiner ständischen Gliederung, insbesondere der Arbeiterbewegung dienend, mit evangelischem Glaubensgeist zu erfüllen, zu durchdringen, zu erneuern und zu gestalten helfen soll; gegenüber dem zusammenbrechenden Marxismus und gegenüber der weit überlegenen Katholischen Organisation und den mit erneuter Kraft einsetzenden katholischen Bestrebungen, mit denen wir wirtschafts- und sozialpolitisch in beträchtlichem Maße übereinstimmen können, wie die Verbundenheit in den Christlich-nationalen Gewerkschaften bekundet, denen gegenüber wir aber kulturpolitisch aus unserem religiösen Leben heraus unsere Eigenart nach ihrem unverlierbaren, geschichtlichen Erbe und ihrer unerschöpflichen Zukunftsaufgabe auszuprägen und zu entfalten haben. Wie sich das alles theoretisch vermittelt und praktisch gestaltet, wäre nur im ausführlichen Programmschriften darzulegen. Vielleicht ist dafür auf ältere Kundgebungen der Schule und die wissenschaftlichen Veröffentlichungen ihres gegenwärtigen Leiters zu verweisen.

Vorsitzender der Schule ist der Abgeordnete Behrens. Dem Verwaltungsrat der Schule gehören 30 Persönlichkeiten des kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen und geistigen Lebens an. Die Schulleitung hat Pofessor Dr. Brunstäd, Erlangen, übernommen. Geschäftsführer der Schule, insbesondere der Kursusabteilung, und Leiter des sozialen Sekretariats, ist Dr. von Viebahn. Vorsitzender der Sekretärsvereinigung ist Generalsekretär des deutschen Gewerkschaftsbundes Baltrusch, ihre Geschäfte führt Abgeordneter Hartwig.

Die Schule hat ihre Einrichtungen und ihre Verwaltung möglichst vereinfacht und auf das Notwendigste eingeschränkt, sie muß nun aber für planmäßige Arbeit breitere und festere unterlagen gesichert bekommen. Sie wirbt gemäß ihren Satzungen hiermit um Freunde und Förderer, die durch möglichst regelmäßige Beitragsleistungen ihr das Lebensnotwendige sicherstellen; sie braucht jährlich 800 Beiträge zu 20 Mark. Manche, die Förderer, werden ein Vielfaches dieses Betrages leisten können; viele, die vielleicht den Grundbetrag nicht ganz aus Eigenem aufzubringen vermögen, werden gebeten, ihn in ihrem Kreis zu sammeln und so regelmäßig abzuführen.

Der Dringlichkeit der Aufgabe, in all den Umbildungen, die sich heute in der Arbeiterschaft vollziehen, in all den neuen Aufgaben unserer Wirtschaft, den evangelisch-sozialen Geist für die Erneuerung unseres völkisch-nationalen Lebens zu seinem Recht und zu seiner Wirkung zu bringen und alle seine Segenskräfte zur Gesundung unseres Volkes, seiner Wirtschaft und seiner inneren Gestaltung fruchtbar zu machen, wird, so hoffen wir, keiner sich entziehen, an den unser Aufruf ergeht.

Spandau, Johannesstift, im März 1924.

Quelle: Archiv, Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V.


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Erstellt am 31.05.97 - Letzte Änderung am 31.01.1998.
Winfried Hartwig
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