Auszug aus:

Der gute Kamerad!


Inhalt:
Ev.-soz. Schule und der Krieg
An die im Felde..
zum Seitenende

Abschrift:


Die Evangelisch-soziale Schule und der Krieg.

Alles war vorbereitet! Zwei wichtige Kurse, in allen Einzelheiten festgelegt. Zunächst die Sekretärswoche. - Fest angemeldet hatten sich bereits 43 Kollegen, 13 Kollegen hatten ihre Teilnahme in bestimmte Aussicht gestellt, so daß wir für dieses Jahr den bisher am stärksten besuchten Kursus erwarteten. Da traf die Nachricht ein, daß Rußland als Antwort auf die österreichische Kriegserklärung an Serbien gegen Österreich rüste. Das war für Deutschland der gegebene Kriegsfall, falls Rußland wirklich Ernst machte. Dann kam es ernster, Rußland mobilisiert gegen Deutschland Dann die Monarchendepeschen. Der 1. August ging zu Ende und 3-4 Teilnehmer trafen ein und fanden natürlich alles zu ihrem Willkomm bereit. Aber 2 reisten sofort wieder ab, denn inzwischen war die Mobilmachung befohlen. Für einen Kollegen kam die telegraphische Nachricht an, sofort einzurücken. Bereits am 30. Juli hatte der Vorstand, Herr Pastor Jaeger und der Unterzeichnete den Kollegen die Nachricht zugehen lassen, daß infolge der bedrohlichen Nähe des Krieges eine Verschiebung der Sekretärswoche geboten erscheine. So griff denn der Weltenlenker wieder einmal mit gewaltiger Hand in die Speichen des Rades der Geschichte. Als ganz selbstverständlich ging man über die jetzt fast völlig vergeblich aufgewandten Mühen und Opfer sowohl an Arbeit und Zeit, wie auch an Geldmitteln zur Tagesordnung über. Alle Kollegen zeigten in dieser ernsten Zeit, daß sie mit heiliger Begeisterung den christlich-nationalen Ideen, für die sie im Frieden bei Tag und Nacht alle ihre Kräfte eingesetzt hatten, nun auch Gut und Blut zu weihen willens waren.

Außer der Sekretärswoche war auch der volkswirtschaftliche Kursus aufs beste vorbereitet. Für die Sekretärwoche hatten sich wie früher in herzlicher Zuvorkommenheit Herr Pastor Jaeger und die anderen Herren Dozenten der theologischen Schule, sowie auswärtige bedeutende Männer als Redner bereit gestellt. Ebenso lag die Sache für den volkswirtschaftlichen Kursus. Hier waren es in erster Linie Kollegen aus der Bewegung, die ihre Kräfte freudig hergaben. Behrens, Stegerwald, Wallbaum, Giesberts, Brauer, Veer, Meyer, Jakowsky, Martin, Hartwig, Koch, Schmidt, Gutsche, Schlabach u. a. Aber auch andere Herren waren bereit und hatten zugesagt: Dr. Weber, Pastor Jaeger und d ssen Bruder Pastor Jaeger-Frankfurt, Dr. Eisenbacher, Herr Rippel, Herr Pohlmann-Hohenaspe, Herr Vietor, als Dozenten zu wirken. Auch dieser Kursus verfiel der Vertagung bis auf die Zeit wo - daran konnte kein Zweifel aufkommen - Deutschland seine Feinde geschlagen - Dozenten und Kursisten ihr Interesse den großen geistigen Werten der Nation wieder ihre Aufmerksamkeit schenken können.

So mußte denn die Evangelisch-soziale Schule ihre Kursustätigkeit zunächst einstellen. Der Krieg nahm dann in größtem Maßstabe die private und öffentliche Opferwilligkeit für seine Fürsorgezwecke in Anspruch. Auch unter den Freunden und Helfern der Evangelisch-sozialen Schule gab es wohl kaum jemand, der nicht in starkem Maße für die Daheimgebliebenen der Krieger, wie auch für verwandte oder bekannte Krieger einzutreten oder zu sorgen verpflichtet war. Ebenso wurden die Organisationen, von denen die Evangelisch-soziale Schule getragen wurde, durch die Folgeerscheinungen des Krieges sehr stark in ihrer Leistungsfähigkeit beeinflußt, daß alles erwägend, mußte die Schulleitung alles tun, um mit den vorhandenen Mitteln haus zu halten. Unser Studienhaus, daß wir nur halten konnten, wenn der Schulbetrieb seinen normalen Verlauf nahm, stellten wir der Anstalt Bethel für Zwecke der Verwundetenpflege zur Verfügung. Gegenwärtig werden etwa 25 Verwundete darin verpflegt. Etwa 40 können Unterkunft finden. (Nebenbei sei bemerkt, daß in den Bethelanstalten etwa 1800 Verwundete verpflegt werden.) Der Unterzeichnete hat mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus auf Bethel zunächst eine Heimat gefunden.

Die Geschäftsstelle der Evangelisch-soziale Schule befindet sich jetzt im Hause des Christlichnationalen Vereins E.V. Bielefeld, Gütersloherstr. 445. In der Einrichtung der Archive, besonders der riesig angesammelten Zeitungsausschnitte und anderen Materialien, sowie in mancherlei schriftlichen Arbeiten und durch Übernahme von Arbeiten für verhinderte Kollegen, vor allem aber durch Vorbereitung für die kommenden Zeiten der Kursustätigkeit findet der Unterzeichnete jetzt seine Aufgaben.

Die außerordentliche Bedeutung der Evangelisch-soziale Schule für unser Volk, nicht zuletzt für die kommende Friedenszeit liegt heute klar zu Tage.

Wie groß der Einfluß, den die gewaltige Arbeitsleistung der christlichnationalen Arbeiterbewegung, ihrer Führer und Vertrauenspersonen auf die herrliche, nationale Haltung und den sich bei dieser Gelegenheit offenbarenden hohen sittlichen Stand, insbesondere auch des handarbeitenden Volkes zu schätzen ist, dazu fehlt es ja an jedem Maßstab. Klein ist er gewiß nicht.

Kundgebungen unbedingter nationaler Treue und nationaler Rücksichtnahme, wie sich in ersterem Falle bei der Marrokkokrisis zu Tage trat und im zweiten Fall beim letzten Bergarbeiterstreik unter großer Selbstlosigkeit des Standes geübt wurden, sowie die strikte Ablehnung des Klassenhasses und des Klassenmaterialismus üben dauernde Rückwirkungen auf die Volksseele aus. Dazu kommt die millionenfache Aufklärung, die im Laufe der Zeit auf die Einzelnen ausgeübt worden ist.

Die Vorgänge in der neueren Politik des Reiches während der bisherigen Dauer des Krieges haben mancherlei lehrreiche Beobachtungen machen lassen.

Vor allem hat die Stellungnahme der offiziellen Sozialdemokratie zu großen Ereignissen weite Kreise der Regierung und Verwaltung sowie der akademischen Kreise zu dem Glauben veranlaßt, die Sozialdemokratie habe in ihrer großen Mehrheit festen nationalen vaterländischen Boden betreten und es sei als sicher anzunehmen, daß sich die Sozialdemokratie dem Volkskörper als gleichgesinntes Glied einfügen würde. Das Erwachen aus diesem Traum dürfte kein rosiges sein.

Es würde zu weit führen, wollte ich in den Einzelheiten nachweisen, wie groß dieser Irrtum ist, Darüber wollen wir ein andermal reden. Jedenfalls haben die Genossen nie größere Bewegungsfreiheit und Beseitigung von Widerständen gekannt, als es gegenwärtig der Fall ist.

Daher heißt es, auf dem Posten sein. Wenn es, nachdem unsere Helden ohne Unterschied der Partei die äußeren Feinde des Vaterlandes unter Blut und Tod niedergezwungen, wieder an die Aufrichtung eines auch innerlich glücklichen und freien deutschen Volkes ge ht, dann wollen wir gerüstet sein, um christliche Bauleute für den kommenden neuen Bau ausrüsten zu können.

Emil Hartwig.


zum Seitenanfang

An die im Felde stehenden Kollegen !

Lieber Freund und Kollege !

Im August glaubten wir uns im stillen Bethel, soweit es beruflich möglich war, wieder die Bruderhand drücken, um Aug' in Auge persönliche und berufliche Dinge austauschen können.

Da wurde plötzlich mit gewaltigem Donner der Menschheit ein "Halt!" geboten! War's uns nicht, als stände der Odem der Welt einen Moment still. Und dann - ! ? Ja dann hatte Alldeutschland begriffen! Es gilt Deutschlands Leben! Die heimtückisch um uns gelegten Minen explodierten - dem Feinde freilich zu früh - und setzten die Welt in Brand. Von der Nordsee bis zu den Karpathen, von der Ostsee bis zur Adria ertöne der Schwur: Mit Gott! Ran an den Feind! und auch ihr, Kameraden, seid hinausgeeilt, todesmutig zu sein im brausenden deutschen Heerbann, der mit Gottes Hilfe die Feinde zerschmettern und ein Deutschland errichten wird, daß den Ländern und Nationen der Erde ein Fels des Friedens sein wird.

Unter den Schatten der Deutschen Eiche, unter dem mächtigen Schwunge des Kaiseraars, werden die Meere zu Bahnen der Wohlfahrt und des Gedeihens werden; die Völker ein Leben der Gesittung und des geistigen Aufstiegs führen können. Wie es die Welt in den Jahrtausenden ihres Bestehens nicht kannte.

Deutsche Kultur wird ihren belebenden Odem in die Finsternis des Slaventums und die Fäulnis des Romanismus tragen. Deutschchristliche Wahrheit wird den Geist der Lüge und des Materialismus unter den Völkern zurückdämmen. Dieses Zeitalter führt Ihr Helden mit herauf. Nicht alle werden das Siegesfest erleben. Das Siegesrauschen von Lüttich, Namur, Maubeuge, Luneville, von Tannenberg, Woczlawek, Kutno und Lodz, die Heldentaten zur See und die kühnen Taten unserer Luftschiffer haben auch sie, die ihr Leben für den Sieg einsetzten, vernommen. Sie gaben ihr Leben mit dem siegenden Jubel auf den Lippen. "Deutschland muß leben - und wenn wir sterben müssen!"

Unser Kollege Spiekerkötter, Sekretär des Bauarbeiterverbandes, starb den Heldentod vor Warschau. 8 Tage, bevor er unter den Geschossen der Russen zusammenbrach, schrieb er mir. Aus seinen Zeilen leuchtete seine Liebe für unser Volk und Vaterland hervor. Die kirchlich-sozialen Blätter, der evangelische Arbeiterbote, die Westfälisch-Lippische Volkszeitung, die Baugewerkschaft, die Textilarbeiterzeitung, haben herzliche und ehrende Nachrufe gebracht. Wir als seine Kollegen, werden ihm ein ehrenden Andenken alle Zeit bewahren. Gleichfalls als ein Held für sein Vaterland ist unser lieber Freund und Kollege Loudwin in Feindesland dahingerafft worden. Er starb an tückischer Krankheit. Zuletzt war er als Redakteur des Verbandes der Nahrungs- und Genußmittelarbeiter, an der "Solidarität" tätig. Die "Solidarität" und die "Niederrheinische Wacht" gedachten seiner in ehrenden Nachrufen. Auch er, der uns vorausgeeilt ist, als Glied der himmlischen Friedensgemeinde, wird uns unvergeßlich sein.

Wie uns von seinem Verbandsleiter, Kollegen Gutsche mitgeteilt wurde, fiel unser Kollege, Unteroffizier Friedrich Scheck schwerverwundet in französische Gefangenschaft. Er hat wiederholt an seinen Verband geschrieben und es steht zu hoffen, daß er genesen und ein fröhliches Wiedersehen mit uns feiern kann.

Wie ich weiter erfahre, ist Kollege Mahsmann, zuletzt wieder als Sekretär des Kellnerverbandes tätig, in französische Gefangenschaft geraten. Nähere Mitteilungen fehlen zur Zeit leider.

Aus den Feldadressen der Kollegen ersehen die Kameraden im Felde, wie sich die verschiedenen Kollegen auf die Schlachtfelder in West und Ost, zu Wasser und zu Lande verteilen. Vielleicht wird der eine oder der andere hin und her Freundes- und Brudergrüße austauschen wollen.

So möchte ich denn schließen mit der Versicherung herzlicher Liebe und treuen Gedenkens. In unsere Gebete schließen wir Euch ein.

Emil Hartwig.

Quelle: Archiv, Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V.


Ev.-soz. Schule und der Krieg
An die im Felde..
zum Seitenanfang
Erstellt am 31.07.97 - Letzte Änderung am 31.01.1998.
Winfried Hartwig

Zurück zur Leitseite