Inhalt:
die Arbeiter- und Soldatenratswirtschaft
Enttäuschung über den vergangenen Staat
Der eigene Standpunkt
Sozialdemokratie und deutsch-demokratische Partei
warum Deutsch-nationale Volkspartei
Hoffnungen, die sich 10 Jahre später zerschlagen sollen

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- Emil Karl HARTWIG -


(Aus Evangelisch-soziale Stimmen vom Dez. 1918, Heft 12, Seite 42)

An

unsere Freunde und Standesgenossen in Stadt und Land

Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreiches sind auch die alten politischen Parteien mit ihrer bisherigen Politik mehr oder weniger zusammengebrochen. Ihre Programme sind durch den Gang der Ereignisse überholt und unbrauchbar gemacht worden. Das gilt nicht nur für die Konservativen, sondern für alle großen Parteien, die nicht auf dem sozialistischen Boden standen. Als einfacher Beweis dafür dient die Tatsache daß die alten Parteien aufgehört haben zu bestehen. Neue Parteien mit neuen Programmen sind an ihre Stelle getreten. Selbst das Zentrum hat sich ein neues Programm gegeben und sucht nach einem neuen Namen.

Die sozialdemokratischen Parteien haben das Kaiserreich überlebt, ihre Führer sind jetzt in der Macht, und ihre Massen beherrschen das „revolutionäre Deutschland“. Viele Hunderttausende unserer Volksgenossen stehen jetzt unter dem suggestiven Einfluß der Revolution; frohlockend über das Phantom einer problematischen „Freiheit“, tanzen sie auf dem Vulkan des Verderben unseres Volkes und des Verfalls des ehemals starken, uns alle schützenden Reiches.
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Fest steht heute schon die Tatsache , daß die Arbeiter- und Soldatenratswirtschaft Verwaltung und Verkehr desorganisiert, Wirtschafts- und Erwerbsleben zerstört, die Volksernährung in Frage stellt, das Volksvermögen und die Staatsfinanzen vergeudet, das Reich in Zerfall bringt und unfähig ist, unserem Volk den dringend verlangten Frieden zu bringen. Bolschewismus, Arbeitslosigkeit und Hunger erheben drohend ihr Haupt. Das sozialdemokratische Programm erweist sich als undurchführbar. Alles drängt mit elementarer Gewalt auf den Zusammenbruch der Revolutionswirtschaft.

Die christlich-nationalen Arbeiter und Angestellten-Führer haben von jeher die Arbeiter vor dem verderblichen Utopismus und Materialismus der Sozialdemokratie gewarnt. Wir haben uns zugleich unter Einsetzung unserer ganzen Person ehrlich in den Dienst der gerechten Arbeiter- und Angestelltensache gestellt und die im alten Staat vorhandenen Ungerechtigkeiten zu beseitigen und dem aufstrebenden Arbeiter und Angestellten stand die Wege zum Aufstieg und zur Einordnung als gleichberechtigtes Glied im Volkskörper freizumachen bemüht.
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Die Regierung und Gesetzgebung im vergangenen Staat, sowie die alten Parteien haben unserer christlich-nationalen Bewegung, unserer Arbeit und unseren Forderungen nicht das genügende Verständnis und Beachtung entgegengebracht, die der christliche Sozialismus erwarten durfte. Die Folge war der Zusammenbruch.

Wir verzweifeln nicht trotz dieser bitteren Erfahrung und trotz des revolutionären Niederganges an der Zukunft unseres deutschen Volkes. Wir sind vielmehr der felsenfesten Überzeugung, daß es der christlich-nationalen Arbeiter- und Angestelltenbewegung trotzalledem und dennoch gelingen wird, sich sieghaft durchzusetzen. Sie wird der starke Hort und der getreue Eckart der deutschen Arbeitnehmer sein, im ihnen den gerechten Platz im deutschen Volksleben und eine befriedigende Anteilnahme an den Kultur- und Wirtschaftsgütern zu sichern.

Mehr denn je beharren wir auf dem Standpunkt, daß neben gesicherten und zeitgemäßigen Lohn- und Arbeitsbedingungen, Arbeiterschutz und -Recht, sozialer Fürsorge für alle an Körper und Gesundheit Geschädigten, für Witwen und Waisen, ein lebenstarkes Christentum, deutsches Volksbewußtsein, Wertschätzung der Persönlichkeit, staatsbürgerliche Freiheit und Gleichberechtigung die höchsten idealen Güter sind, auf welche unsere Arbeitsgenossen Anspruch haben. Für die Erreichung dieses Zieles werden wir uns jederzeit und an jeder Stelle unerschrocken und zielbewußt einsetzen. Diese Überzeugung werden wir im politischen Leben, besonders bei der Wahl zur Nationalversammlung entschlossen zur Geltung zu bringen versuchen.
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Die Sozialdemokratie kann deshalb angesichts ihrer auch für die Arbeiterschaft so verhängnisvollen und verderblichen Politik nicht in Frage kommen. Es wäre dann ein Verrat an den deutschen Arbeitnehmern. Die deutsch-demokratische Partei müssen wir ebenso ablehnen, weil sie von den Kreisen um das „Berliner Tageblatt“ gegründet und von den mammonistischen, national-unzuverlässigen Geist dieser Richtung beherrscht wird. Wir sind nicht gewillt, den imperialistisch-internationalen Kapitalismus des alten Obrigkeitsstaates mit der brutalen Geldherrschaft eines imperialistischen internationalen Kapitalismus der Demokratie zu vertauschen. Über diese Wesenseigenschaften der deutsch-demokratischen Partei täuscht uns auch die sozialpolitische Verbrämung ihres vorläufigen Programms nicht hinweg. Das Schuldkonto des verjudeten Liberalismus an dem Unglück des deutschen Volkes ist so unendlich groß, daß wir als deutsche Frauen und Männer mit diesen Kreisen keine Gemeinschaft haben können.

Die Anregung, eine neue soziale Volkspartei ins Leben zu rufen, deren Kern die christlich-nationale Bewegung bildet, mußte aus ernster, reiflicher Erwägung aller in Betracht kommender Faktoren für die Wahlen zur Nationalversammlung abgelehnt werden, denn jede Zersplitterung ist der nationalen Sache abträglich. Wir haben uns deshalb der unter unserer Mitwirkung neugebildeten

Deutsch-nationalen Volkspartei

angeschlossen, weil diese Partei nach ihrem Programm unseren nationalen, christlichen und sozialen Grundanschauungen am meisten entspricht.
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Die deutsch-nationale Volkspartei tritt ein für ein starkes deutsches Volkstum, für deutsche Art und deutsches Wesen; sie tritt ein für die Durchdringung des gesamten Volkslebens mit den lebensstarken Kräften des Christentums, insbesondere für den Religionsunterricht in der Schule und für die Gewährleistung der freien Religionsübung durch die Religionsgemeinschaften.

Wir werden in dieser Partei und durch sie wirken für die Forderungen der Arbeiter und angestellten bei dem Wiederaufbau und der Neugestaltung des staatlichen Lebens und für seine Durchdringung mit wahrhaft sozialen Geist. Wir fordern die gleichen politisch en Rechte für Mann und Frau und das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Verhältniswahlrecht. Die Gewerkschaften sind als berufene Vertretungen der Arbeiter und Angestellten im Staats- und Wirtschaftsleben anzuerkennen. Wirtschaft und das Bodenrecht sind sozial zu gestalten.

Ein zeitgemäßes Beamten- und Arbeiter-, insbesondere Landarbeiter- und Staatsarbeiterrecht ist zu schaffen. Die soziale Fürsorgegesetzgebung ist auszubauen.

In der Leitung und politischen Vertretung der deutsch-nationalen Volkspartei ist den Führern der Arbeiter und Angestellten eine angemessene Mitwirkung eingeräumt worden. Damit sind alle Voraussetzungen und Sicherheiten gegeben, daß in der deutsch-nationalen Volkspartei die Arbeitnehmerinteressen in ausreichender Weise zur Geltung kommen können, wenn wir uns rege und tatkräftig an ihrer politischen Arbeit betätigen.

Dazu fordern wir alle unsere Freunde und Arbeitsgenossen auf. Tretet ein in die deutsch-nationale Volkspartei!

Werbet dafür, daß unsere Partei in ausreichendem Maße in der Nationalversammlung vertreten wird.

(Es folgen 71 Personen aus dem Kreis der Arbeiter und 49 Personen anderen Standes, aufgeführt mit ihrem Namen, Beruf und Wohnort)

Mitteilungen und Zustimmungserklärungen an Arbeitersekretär Hartwig, Bielefeld, Gütersloherstr. 45.

(Quelle: Bibliothek des Diakonischen Werkes der EKD - Allensteinstr 53, Berlin-Dahlem)


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Erstellt am 19.02.98 - Letzte Änderung am 12.04.1998.
Winfried Hartwig
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