Artikel aus der "Täglichen Rundschau" vom Dienstag, den 5.5.1931

Die Ehre des politischen Gegners

Von Emil Hartwig, M. d. R. (Mitglied der Reichstags)

Ein wichtiges Ziel des Christlich-Sozialen Volksdienstes ist es, den politischen Kampf zu entgiften, der Persönlichkeit des Gegners Achtung zu verschaffen, den Kampf aber scharf und eindrucksvoll gegen die Sache zu richten, die der politische Gegner verficht. Mag der Gegner in seiner Kampfesweise noch so gehässig werden, mit solchen Waffen kämpfen Volksdienstleute nicht.

Wir werden aber alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um unsere politischen und weltanschaulichen Gegner, wo das Beispiel nicht genügt, zu zwingen, auch ihrerseits den politischen Gegenspieler anständig und sachlich zu behandeln. Freiwilligkeit in der Gegenseitigkeit politischer Anständigkeit ist gewiß besser als eine erzwungene Beachtung der persönlichen Ehre des politischen Gegners - aber die Natur des Gegners zwingt oft dazu, ihm gewissermaßen für sich selbst und für die Öffentlichkeit zu befrieden. Daher war die Änderung der Geschäftsordnung des Reichstages notwendig. Bei ihrer Behandlung erklärte der Abgeordnete Rippel (Hagen), daß die ungeheuerliche Brutalität, ja oft gemeine Art des Gegners im parlamentarischen Kampf einen Damm notwendig mache, der hoffentlich recht bald wieder überflüssig werde. Die Roheiten und der Haß im parlamentarischen Leben sind nur Ausstrahlungen der wüsten politischen Auseinandersetzungen im Parteikampf. Bis zu welcher Höhe hier die Verhetzung getrieben wird, davon geben die Verhandlungen des Reichstages in seiner Sitzung vom 16. März 1931 ein anschauliches Bild. Eine Interpellation Breitscheid, der sich fast alle Fraktionen anschlossen, forderte dringliche Schritte gegen politische Mordtaten und Gewalttätigkeiten. Daß angesichts ihrer Vergangenheit auf die Sozialdemokratie das Wort zutrifft: "... die durch Irrtum zur Wahrheit reisen ...", wollen wir registrieren und der Hoffnung Ausdruck geben, daß sie dem Wege der Wahrheit treu bleibt. Zu dieser Interpellation nahm mit eindrucksvollen, sehr beachteten Ausführungen der Volksdienstabgeordnete Hennes das Wort. Abgeordneter Hennes ließ darüber keinen Zweifel, daß der Volksdienst, wenn keine anderen Mittel den Mord und die Tätlichkeiten im politischen Kampf ausschalten können, der Regierung alle gesetzlichen Mittel bewilligen werde, um den Rohling in unserem politischen Leben zur exemplarischen Strafe zu ziehen.

Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützte die Fraktion auch den von dem volksnationalen Abgeordneten Bornemann formulierten Antrag Nr. 949 der Drucksachen: Der Reichstag möge beschließen:

  • "Die Reichsregierung zu ersuchen, bei der geplanten Strafrechtsreform dahin zu wirken, daß die Vergehen der Beleidigung, der üblen Nachrede, der Verbreitung falscher, nicht nachweisbarer Tatsachen, die geeignet sind, den Betroffenen in seiner persönlichen und politischen Ehre in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen, als Diebstahl am höchsten Gut, der Ehre, zum mindesten nach den Strafbestimmungen, die für den Diebstahl an materiellem Gut maßgebend sind, geahndet werden. Die Paragraphen 242 ff. Des Reichsstrafgesetzbuches, sowie die straferschwerenden Bestimmungen für Rückfall müssen Anwendung finden."

Aber die Achtung vor dem politischen Gegner müssen auch die politischen Machthaber aufbringen. Wenn Parteiführer zeitweise hohe Regierungsämter einnehmen, dann dürfen sie dem politischen Gegner gegenüber nicht Methoden anwenden, die man nicht einmal dem freien Parteiagitator nachsehen würde. Wie in Preußen und auch sonst wohl die Notverordnungen gegen die Volksbegehrensfreunde angewandt wurde, das kann man nicht mehr mit "Achtung vor dem politischen Gegner" bezeichnen. Der Vorsitzende der Reichstagsfraktion des Volksdienstes, Abgeordneter Simpfendörfer, hat daher mit Recht in seinem Briefe an den Reichskanzler Dr. Brüning scharf dagegen Stellung genommen. Wer unter dem Schutze des Amtes Partei- und nicht Staatspolitik treibt, wird vom Christlich-Sozialen Volksdienst bekämpft.

(Quelle: privat)

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Erstellt am 25.10.97 - Letzte Änderung am 31.01.1998.
© W Hartwig
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