Die Deutschnationale Arbeiterbewegung
ihr Werden und Wachsen
Vorwort
Die hier gegebenen Darstellungen sollen einführen in das Verständnis der deutschnationalen Arbeiterbewegung, sie sind aber noch keine Geschichte des Deutschnationalen Arbeiterbundes, sondern vielleicht die ersten Grundlagen dazu. Es ist noch nicht möglich, alle Einzelheiten klar zu übersehen und es gibt sicher später noch manches zu berichtigen, vor allem zu ergänzen und zu erweitern. Die abgebildeten, führenden Mitglieder stehen keineswegs in ihrem Kampf allein. Bedauerlicherweise ließ es sich bei einigen Weiteren nicht ermöglichen, die Photographie rechtzeitig herbeizuschaffen. Viele wackere Kämpfer sind nicht genannt. Ihre Verdienste sind nicht kleiner, vielleicht größer als die der Genannten. Die Arbeit ging auch in den verschiedenen Bezirken durchaus verschieden vor sich, und es ist noch keineswegs nach dem ersten Versuch einer solchen Darstellung möglich, die ganze Arbeit zu übersehen, und allen Bezirken vollkommen gerecht zu werden. Wir konnten deshalb auch nur aus wenigen Bezirken von Sonderarbeiten berichten.
Ist auch heute der Kreis der deutschnationalgesinnten Arbeiter vielfach schon ganz anders zusammengesetzt, als das bei der Begründung und bei den ersten Anfängen der Arbeit der Fall war. Für das Verständnis der Bewegung ist es richtig und notwendig, das Werden und Wachsen von Anfang an zu kennen.
[07]
Die Deutschnationale Arbeiterbewegung,
ihr Werden und Wachsen.
Der Wettersturm des Weltkriegs brachte nicht nur eine Umwandlung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in unserem Volke mit sich, er rief auch tiefgreifende Veränderungen in den parteipolitischen Lagern, insbesondere im Lager der deutschen Arbeiterschaft hervor. Schon im zweiten Kriegsjahre spaltete sich die Sozialdemokratie. Die verschiedenen Richtungen, die schon lange vor dem Kriege als Radikalismus und Revisionismus mit einander gerungen hatten, traten im Jahre 1915 – wenn auch nicht in genau in denselben Trennungslinien – als Mehrheitspartei und unabhängige Sozialdemokratie in die Erscheinung. Später entwickelte sich noch eine dritte Gruppe, der Spartakusbund, aus dem 1919 die Kommunistische Partei entstand.
In der Zentrumspartei schienen sich ebenfalls nach der Revolution starke Veränderungen vorzubereiten. In der Wahlbewegung zur Nationalversammlung traten jedenfalls die bisherigen Anhänger des Zentrums unter verschiedenen Bezeichnungen auf den Kampfplatz. In Berlin wurde der Name Christliche Volkspartei usw. gewählt. In der Nationalversammlung allerdings fanden sich die Gruppen unter den alten historischen Namen – abgesehen von der Bayerischen Volkspartei – des Zentrums wieder zusammen.
Die verschiedenen fortschrittlich-demokratischen Richtungen der Vorkriegszeit schlossen sich bereits im November 1918 mit Einschluß des linken Flügels der Nationalliberalen zur Deutsch-demokratischen Partei zusammen, während der Kern der alten Nationalliberalen Partei sich unter dem Namen Deutsche Volkspartei neu organisierte. Die früher rechtsgerichteten Parteien und Gruppen – abgesehen von den ultrakonservativen Kreisen – schlossen sich zu einer Deutschnationalen Volkspartei zusammen, die sich aber keineswegs auf diese Kreise beschränkte, wenngleich sie auch den Kern der Bewegung bildeten. Bald tauchte auch manch neuer Name in ihren Reihen auf, der früher bei den linksgerichteten Parteien einen anerkannten Führer bezeichnete.
[08]
Ueberhaupt sind die ganzen neuen Bildungen so zu verstehen, daß durch die Umgestaltung des Wahlrechts, durch die Einführung des Frauenstimmrechtes, die Herabsetzung des Wahlalters, so viele neue Wähler geschaffen wurden, daß sie fast in allen Parteien drei Viertel der Gesamtwählerschaft ausmachten. Es ist verständlich, daß diese neuen Wähler den Charakter der einer anderen Zeit angehörenden Parteien mehr oder weniger abändern mußten, selbst wenn diese sich noch so sehr dagegen gesträubt hätten. In den Parteien, die als bisher bestehende politische Organisationen zur Deutschnationalen Volkspartei zusammen traten, hatte in der Christlich-sozialen Partei das Arbeiterelement zweifellos die Führung in der Hand. Wohl waren auch in der Deutsch-konservativen Partei zahlreiche Arbeiter als sichere Wähler vorhanden. Ganz besonders im Osten unseres Vaterlandes waren
[09]
die Landarbeiter in ihren patriarchalischen Verhältnissen gut national eingestellt und gingen sicher mit in die Deutschnationale Volkspartei hinein. Auch hatten die Konservativen in Frankfurt a. O.-Lebus vor dem Kriege schon den Versuch gemacht, den evangelischen Arbeitersekretär Hermann Dunkel in den Reichstag zu entsenden; aber die zur Macht und Mitarbeit drängten, die aktiven Elemente, das waren doch die Industriearbeitermassen, im wesentlichen aus dem Westen, die in der Christlich-sozialen Partei ihre politische Heimat gefunden hatten. Die Christlich-soziale Partei war zwar von den früheren Rechtsparteien ungefähr die kleinste. Aber in bezug auf die Arbeiterschaft sicher diejenige, die für die neuen Kämpfe nach der Revolution am besten ausgerüstet war, und ihr Menschenmaterial am meisten durchgebildet hatte. Diese Arbeiterkreise aus der Christlich-sozialen
[10]
Partei bildeten die erste Arbeitertruppe in der Deutschnationalen Volkspartei. Es ist nicht richtig, wie heute vielfach betont wird, daß sie als christliche Gewerkschafter gekommen wären; sie hatten es gelernt, den Unterschied zwischen Partei und Gewerkschaften klar zu erkennen. Sie kamen in dem Bewußtsein, bereits in der Vorkriegszeit einen der ihrigen (Franz Behrens) in den Reichstag, einen anderen (Wilhelm Wallbaum) sogar unter dem Drei-Klassen-Wahlrecht in den preußischen Landtag gebracht zu haben. Simon Kreiling hatte sich ein lippisches Landtagsmandat erobert und in zahlreichen anderen Wahlkreisen waren christlich-soziale Arbeiter als Reichstagskandidaten aufgestellt gewesen und nahe dabei, Mandate zu gewinnen.
Die führenden Mitglieder der Christlich-sozialen Partei standen nach der Staatsumwälzung vor der Frage, soll die Christlich-soziale Partei in der neuen Zeit, die eine besonders straffe Zusammenfassung aller nationalen Kräfte nötig erscheinen ließ, ihr Sonderdasein weiterführen oder ist es ihre Aufgabe, in einer neuen großen nationalen Gesinnungs- und Parteigemeinschaft im christlich-sozialen Sinne zu wirken.
Alle erkannten an, daß Sammlung das Gebot der Stunde sei. Schon während des Krieges, Anfang 1916, hatte Lindner aus dem Felde der christlich-sozialen Parteileitung in eingehender Denkschrift die Schaffung einer großen Rechtspartei vorgeschlagen und ihr nahegelegt, die ersten Schritte zur Verständigung und Verschmelzung zu tun. Dabei hatte er als Namen der neuen Partei den später tatsächlich gewählten - „Deutschnationale Volkspartei“ - als die beste Bezeichnung vorgeschlagen. Als es dann unter ganz anderen Umständen, nach der Revolution 1918, so weit war, da waren selbstverständlich christlich-soziale Persönlichkeiten wie Behrens, Mumm, Hartwig, Neuhaus, Wallbaum, Koch, Rippel, Rüffer, Lindner und viele andere bei der Gründung der Deutschnationalen Volkspartei und ihrer Unterorganisationen beteiligt. Die christlich-sozialen Wählerkreise schlossen sich der neuen Partei sofort an und lösten die eigene Parteiorganisationen vorbehaltlos auf.
Von Bielefeld aus erließen Emil Hartwig und seine engeren Freunde im November 1918 einen Aufruf an die nationale Arbeiterschaft, forderten sie auf, mit in die Deutschnationale Volkspartei einzutreten, bei der Wahl zur Nationalversammlung deutschnational zu wählen und im übrigen sich zu einem Reichsarbeitsausschuß innerhalb der Deutschnationalen Volkspartei zusammenzuschließen. Dieser Aufruf wurde ins Land hinaus gesandt und allen bekannten christlich-sozialen Arbeiterführern und Arbeitervertrauensmännern zur Unterschrift vorgelegt. Ueber diesen Kreis hinaus fand der erste Aufruf – man kannte sich noch nicht – kaum eine nennenswerte Zahl von Unterschriften. Die Wirkungen des Aufrufs aber waren ausgezeichnete, da sich sofort etwa 2000 Arbeiter aus dem Reich zum Reichsarbeiterausschuß anmeldeten.
[11]
Die damals um den Zentralpunkt Bielefeld zusammengescharten Arbeiter gingen aber weiter. Hartwig, Meyer und Lindner formulierten ein über den ersten Aufruf der Partei weit hinausgehendes, in sozialpolitischer Beziehung gut ausgearbeitetes Programm. Sie legten es bei der Begründung des Landesverbandes Westfalen-Ost vor, und es war ihre Bedingung, mit diesem Programm in den Wahlkampf zu gehen und den Zentralaufruf der neugegründeten Partei, der verhältnismäßig wenig anziehendes besaß, im Wahlkampfe nicht zu verwenden. Erst nachdem diese Bedingung akzeptiert war, kam die Gründung des Landesverbandes Westfalen-Ost zustande. Nach der Wahl zur Nationalversammlung wurde mit allem Nachdruck versucht, die in diesem Programm niedergelegten Grundsätze und Forderungen in das
[12]
neuzuschaffende endgültige Parteiprogramm der Deutschnationalen Volkspartei hineinzubringen, und ein erheblicher Teil der heute bestehenden „Grundsätze und Richtlinien der Deutschnationalen Volkspartei“ stammt aus dem westfälischen Programm. Damit ist klar gestellt, daß die christlich-sozialen Arbeiterkreise von der ersten Ausgestaltung der Parteiorganisation sowohl, wie des Parteiprogramms aufs Intensivste mitgearbeitet haben. Und es ist auch gelungen, was gar nicht immer sehr leicht war, die Gesamtheit der Partei zur Erkenntnis der Tatsache zu bringen, daß ohne die Arbeiterschaft eine vernünftige nationale Bewegung überhaupt nicht mehr möglich ist; daß aber mit den Arbeitern diese Bewegung dann möglich ist, wenn man ihnen Gleichberechtigung einräumt, sie mit reden und handeln läßt und ihnen den Einfluß gibt, den sie ihrer Zahl nach und der Bedeutung ihrer Führer entsprechend beanspruchen können.
* * *
Franz Behrens war bei der Parteigründung gleich mit in den engsten Parteivorstand gekommen, und Margarete Behm wurde Vorsitzende des Reichsfrauenausschusses. Auch sie kam aus dem Lager der christlich-sozialen Arbeiterschaft. Außer diesen beiden kamen in den Parteivorstand Koch, Wallbaum und Hartwig. In die Nationalversammlung wurden gewählt: Wilhelm Koch, Wilhelm Wallbaum, Margarete Behm, Fritz Knollmann, und Franz Behrens. Letzterer war sogar zweimal gewählt, in Potsdam I und Ostpreußen. Er nahm das ostpreußische Mandat an, das er bis jetzt noch ausübt. In die preußische Landesversammlung gelangten in Westfalen Richard Martin, in Ostpreußen Richard Dallmer, in Posen der Buchdrucker Köhler.
Paul Rüffer hatte sowohl in Berlin als auch in Mecklenburg zur Nationalversammlung kandidiert, war aber in beiden Stellen nicht gewählt worden. 14 Tage später zog er als erster deutschnationaler Mandatsträger in das Stadtparlament der Reichshauptstadt ein. Fritz Knollmann starb – viel zu früh – noch während der Tagung der Nationalversammlung, Wilhelm Wallbaum legte nach einem Jahr sein Mandat nieder.
In Lippe wurde Simon Kreiling gewählt, er hat bis heute sein Mandat inne und ist inzwischen Vizepräsident des Landtages geworden. In Braunschweig wurde Wilhelm Braun Landtagsabgeordneter. Er legte jedoch, da er aus beruflichen Gründen aus Braunschweig verziehen mußte, leider verhältnismäßig schnell sein Mandat nieder. In die Hamburger Bürgerschaft zog J. P. [J.C.] Jensen. Auch er hat noch heute sein Mandat inne. In Danzig wurden nach Schaffung des Freistaats zunächst die Kollegen Brodowski und Albrecht gewählt, bei der späteren Wahl trat der Kollege Schütz, der Vorsitzende des Deutschnationalen Arbeiterbundes an Albrechts Stelle.
[13]
In den Mecklenburger Landtag wurden zunächst Karl Schlabach und Franz Schmidt gewählt. Bei der späteren Wahl trat an die Stelle Werner Rieschmidt. In die Bremer Bürgerschaft trat später der Vorsitzende des dortigen Landesverbandes, der Kollege Karl Hackenberg ein.
Das von Bielefeld ins Land gegangene Rundschreiben, das zur Sammlung in einem Reichsarbeiterausschuß der Deutschnationalen Volkspartei aufforderte, hatte in weitesten Kreisen freudige Zustimmung gefunden. Gelegentlich des ersten Parteitages in Berlin, am 14. Juli 1919, fand die endgültige Konstituierung des Reichsarbeiterausschusses statt. Emil Hartwig wurde zum Vorsitzenden, Paul Rüffer, der langjährige Generalsekretär der Christlich-sozialen Partei, zum Geschäftsführer berufen und trat als erster hauptamtlicher Arbeiter sein Amt in der deutschnationalen Arbeiterbewegung am 1. September 1919 an.
[14]
Die Tätigkeit des Reichsarbeiterausschusses vollzog sich nun in der Weise, daß auf Grund der festgelegten Richtlinien schriftliche und persönliche Fühlung mit zahlreichen Vereinen und Organisationen im Reiche aufgenommen wurde. Diese Organisationen und Vereine wurden gebeten, dem Reichsarbeiterausschuß die Anschriften von zuverlässigen, national gesinnten Arbeitern mitzuteilen. Mit diesen namhaft gemachten Persönlichkeiten trat der Reichsarbeiterausschuß in persönliche Beziehungen. Diese Persönlichkeiten, soweit sie dazu willig waren, arbeiteten nun als Vertrauensmänner in ihren Vereinen und auf ihren Arbeitsplätzen. Schon nach kurzer Zeit war ein engmaschiges Netz von Vertrauensleuten in den verschiedensten Gauen unseres Vaterlandes vorhanden. Wo es irgendwie angängig war, wurden von den Vertrauensleuten Ortsausschüsse gebildet.
Gleichzeitig setzte der Reichsarbeiterausschuß mit einer energischen Agitationstätigkeit ein. Bis zum Ende des Jahres 1919 war der Geschäftsführer außer in Berlin in der Provinz Sachsen, im Oberbergischen und in Westfalen tätig. Es kam in dieser Anfangsperiode darauf an, den Boden in der Arbeiterschaft für die deutschnationale Gedankenwelt vorzubereiten. Deshalb wurden alle Kräfte für die Werbetätigkeit freigemacht.
Neben der Versammlungstätigkeit wurden schon in diesem Herbste größere Arbeitertagungen einberufen. Am Sonntag, den 2. November 1919, fand die erste in Hagen in Westfalen statt. Trotz der damals herrschenden Verkehrsschwierigkeiten war die erste deutschnationale Arbeitertagung aus den fünf westlichen Wahlkreisen außerordentlich stark besucht und gestaltete sich zu einer machtvollen Kundgebung für den deutschnationalen Gedanken, Der Vorsitzende des Reichsarbeiterausschusses, Emil Hartwig, führte in seiner Begrüßungsansprache etwa aus: „Die Zusammenkunft deutschnationaler Arbeitervertreter ist selbst in unserer ereignisreichen Zeit eine Tagung, die über den Rahmen der Deutschnationalen Volkspartei hinaus ernstester Betrachtung sicher sein kann. . . . Wir, die wir hier versammelt sind, haben uns aus unserer ganzen Welt und Lebensanschauung heraus der deutschnationalen Politik und ihrer politischen Organisation, der Deutschnationalen Volkspartei, angeschlossen. Mit der Tatsache der Erreichung der faktischen politischen Gleichberechtigung sind, das braucht nicht erst betont zu werden, auch die Hunderttausende deutsch und nationalgesinnter Arbeiter und Arbeiterinnen vollauf einverstanden. Aber weder mit der Form, noch mit der Art, wie die Erreichung dieses Zieles durch die Sozialdemokratie herbeigeführt worden ist, können wir uns zufrieden geben. Die Revolution und die Autoritätslosigkeit hat kulturelle, nationale und wirtschaftliche Werte vernichtet, die auf dem Wege der evolutionären Entwicklung nicht zu Schaden zu kommen brauchten. . . . Mit der Sozialdemokratie ist nach unserer Auffassung die organisierte Christentumsfeindschaft ans Ruder gekommen. Die heutigen sozialdemokratischen Staatsmänner wer
[15]
den in Parlament und Verwaltung entsprechend regieren. Da liegt der zwingende ethische Grund unserer politischen Oppositionsstellung zum heutigen republikanischen System.
. . . Wir wollen grundsätzlich den Staat auf der christlichen Glaubens- und Sittenlehre aufgebaut wissen. Ohne die christliche Moral fehlt der Staatsautorität das Rückgrat und ihren Verwaltungsapparaten die Pflichttreue.“
Diese grundsätzlichen Ausführungen, die mit aller wünschenswerten Klarheit die Grundlinien der werdenden deutschnationalen Arbeiterbewegung feststellten, machten sehr starken Eindruck. Im Anschluß an diese Begrüßungsrede hielt Franz Behrens einen Vortrag über die deutschnationale Arbeiterpolitik. Grundsätzlich, so bemerkte er einleitend, stehe ich im Rahmen einer derartigen Politik so: ich kenne nur eine deutschnationale Politik. . . . Ein Zurück gibts nicht mehr, auch ein Anknüpfen an den 8. November gibts nicht mehr. Es gilt auf allen wirtschaftlichen und politischen Gebieten einen Neuaufbau. . . . Was ist denn eigentlich am 9. November zusammengebrochen? Ist das monarchistische System zusammengebrochen? Nein! Das Christentum? Nein! Was zusammengebrochen ist, ist lediglich unser Volksgeist, unsere innere Moral. . . . Was
[16]
hat uns die Revolution gebracht? Die Taten der Revolution waren außerordentlich minimal und das ist das Furchtbare: ohne diesen Umsturz hätten wir niemals diesen Schmachfrieden aufgezwungen bekommen, der unsere Existenz so ungeheuer schwer macht.
. . . Wir müssen uns ausrüsten lassen mit dem starken Glauben an die sieghafte Macht des Christentums, mit starker Kraft, mit deutscher Gesinnung; aber auch mit einem starken Glauben an die Wiedergesundung unseres Volkes. . . . Wir müssen einen Feldzug des Glaubens gegen den Unglauben führen. Alle Parteien und alle Politik sind ein Uebel, wenn sie nicht diese Gesinnung haben.“ Der Vertretertag nahm mit großer Zustimmung diese wegweisende Ausführungen entgegen. Das dritte Referat hielt Otto Büchsenschütz, über das Thema „Reichsverfassung und Deutschnationale Volkspartei“. Der Redner findet: „Das ein Geist aus der Verfassung spricht, welcher nicht deutsch zu nennen ist. . . . Aus diesem Grunde haben wir Verständnis dafür, daß diese Verfassung von unseren Freunden abgelehnt worden ist. Büchsenschütz wendet sich dann der Frage der Gleichberechtigung zu: Es muß immer mehr in der Partei zur Erkenntnis kommen, daß nur eine wahre Volksgemeinschaft uns aus dieser Misere herausbringen kann. Eine Volksgemeinschaft, in der nicht Stand und Besitz, sondern das Verantwortungsgefühl für das ganze Volk, sowie wahrer christlich-sozialer Geist die Führung haben, in der ein Stand für die Nöte des anderen Standes volles Verständnis hat und an ihrer Beseitigung mitarbeitet. Es darf nicht vorkommen, daß Arbeitgeber, die politisch auf unserem Boden stehen, von der nationalen Arbeiterschaft verlangen, daß sie nur die Sozialdemokratie bekämpft, für die wirklichen Nöte der Arbeiterschaft aber kein Verständnis hat. . . . Wir müssen ein klar umrissenes Programm haben und ein erreichbares Ziel aufstellen. Ein Ziel, das den christlichen Sozialismus verwirklichen will, d.h. wahre Volksgemeinschaft bringen, dann habe ich die Ueberzeugung, dann werden wir uns durchsetzen, trotz aller Zerrissenheit, aller Verwirrung.
Dieser Vortrag, der ebenfalls freudige Zustimmung fand, zeichnete den praktischen Weg, den die deutschnationale Arbeiterschaft gehen muß, zum Heile des deutschen Volkes.
Den letzten Vortrag hielt Paul Rüffer über „Die treibenden Ideen unserer Zeit“. Die äußeren Kennzeichen des Augenblicks – so führte er aus – sind Zusammenbruch und Bürgerkrieg. Von leitenden Ideen ist in diesem Chaos scheinbar nichts zu fühlen, es sei denn, daß man die Vernichtungs- und Zerstörungswut als Idee bezeichnet. Aber wer so urteilen wollte, dürfte sich dennoch täuschen, denn auch in unserer wildbewegten Zeit leben Ideen, sie formen sich zur neuen Gestaltung. Die neue Zeit wurde unter den Schmerzen des Weltkriegs und der Revolution geboren. Was aber fehlt, sind die Männer,
[17]
die mit überragender staatsmännischer Kraft einem Bismarck gleich, unsere Zeit, den tollgewordenen Renner, mit eherner Faust und ehernem Schenkel zu meistern verstehen.
Die Zentralidee der Zeit ist und bleibt die religiös-christliche. Sie lebt als vorwärtstreibendes Moment unter dem Schutte der Gegenwart. Ein neues Leben blüht aus den Ruinen. Dieses neue erwachende religiöse Leben ist aber nicht an der Überlieferung geschichtlicher kirchlicher Form gebunden, sondern als ein tiefer, sogleich aber schmaler Golfstrom flutet es durch unsere Zeit dahin. Es sucht nach neuen Ausdrucksformen und der Inhalt, der gesucht wird, ist der ewige alte, des Christentums. Es ist die Idee der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit. Das religiöse Prinzip sucht nach neuen Organisationsformen, und diese neue Organisationsform ist die Volkskirche. Das reine Prinzip der Reformation vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen.
Der Redner wandte sich dann den politischen Grundsätzen zu, Die nationale Idee muß bodenständig, wurzelecht sein. Die Schwäche des deutschen Volkscharakters ist seine ausgeprägte weltbürgerliche Gesinnung. Sie ist ihm in der Vergangenheit und in der
[18]
Gegenwart zum Verderben geworden. und sie kann ihm, wenn der nationale Wille nicht erstarkt, in der Zukunft zum Fluche werden. Der nationale Geist ist unter dem Rankenwerk des Internationalismus erstickt worden. Den preußischen Geist hat die Revolution scheinbar totgeschlagen, aber wir fordern den Willen zur Tat, den Willen zur Arbeit, den Willen zur Macht, wir suchen unter den neuen Verhältnissen diesen Willen zu kultivieren. Wir fordern die Selbstbehauptung unseres Volkes, aber die setzt Arbeit und Kampf voraus, ohne Arbeit und Kampf kein selbstbewußtes nationales Leben.
Das ist die geschichtliche Aufgabe der Deutschnationalen Volkspartei. Sie muß, wenn sie eine Zukunft haben will, das ganze Volk umspannen und alle religiösen, sozialen Strömungen in den Dienst des nationalen Gedankens stellen. In der Form des Reichsarbeiterausschusses will sie das Christliche mit dem Sozialen und Nationalen verbinden. Das ist hoffentlich das Zeichen, in dem sie im deutschen Volke siegen wird.
Der Delegiertentag stimmte den Grundgedanken auch dieses Referats vorbehaltlos zu. Der Eindruck der Referate wurde in einer einstimmig angenommenen Entschließung niedergelegt, aus der wir folgende Sätze herausgreifen:
„Der erste Arbeitervertretertag in Hagen i.W. fordert von der Deutschnationalen Volkspartei, daß die christlichen, sozialen und nationalen Ideen in dem zu schaffenden, neuen Programm klaren Ausdruck finden, und in der praktischen Politik zu Auswirkung gelangen.
Insbesondere verlangt der Arbeitervertretertag volle Gleichberechtigung des Arbeiterstandes, Vertiefung der sozialen Gesinnung, Bekämpfung etwaiger reaktionärer Bestrebungen, volle Berücksichtigung der Arbeiterwünsche bei der Aufstellung für die kommenden politischen und kommunalen Wahlen“.
Die Bedeutung der ersten deutschnationalen Arbeitertagung fand in der deutschen Oeffentlichkeit eine begeisterte Aufnahme. Zum ersten Male nach der Revolution war es der Oeffentlichkeit zum Bewußtsein gebracht, daß es außerhalb der Sozialdemokratie eine politisch nationale Arbeiterbewegung gab. Unter allen Pressestimmen hat die Bedeutung dieser Arbeitertagung die Berliner Zeitung „Die Post“ am besten zum Ausdruck gebracht, als sie schrieb;
„Die Bedeutung dieses Arbeitervertretertages liegt darin, daß zum ersten Male die christlich-nationale Arbeiterschaft durch ihre gewählten Vertreter ein klares Bekenntnis zur deutschnationalen Partei und Politik abgelegt hat. Die Waffenbrüderschaft zwischen der Partei und der christlich-nationalen Arbeiterbewegung ist angebahnt. Von der Deutschnationalen
[19]
Volkspartei ist es abhängig, ob die Waffenbrüderschaft sich zu einer Schicksalsgemeinschaft vertieft. Wer heute die Arbeitsgemeinschaft hat, der hat die Zukunft.“
* * *
Wenige Wochen nach der Hagener Tagung, in der zweiten Hälfte des Novembers 1919 fand in Berlin die erste vom Reichsarbeiterausschuß vorbereitete Berliner Arbeiterversammlung statt. Rüffer redete über Ziele und Aufgaben der deutschnationalen Arbeiterschaft. In dieser Versammlung kam es zum ersten Male zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen der christlichen Gewerkschaften und der wirtschaftsfriedlichen Organisationen. In dem Jahr seit der Revolution war es nämlich in immer größerem Maße gelungen, auch in andere Arbeiterkreise mit der Idee der Deutschnationalen Volkspartei einzudringen. Die Kämpfe, die sich in dieser ersten Berliner Versammlung abspielten, und insbesondere zwischen Franz Elfert und Robert Peter stattfanden, haben längere Zeit angehalten und zweifellos der Gesamtbewegung geschadet. Die Kämpfe unter diesen Organisationen sind auch heute keineswegs überwunden, aber innerhalb der deutschnationalen Parteiarbeiterorganisationen hat man sich längst zu dem grundsätzlichen Standpunkt auch in der Praxis
[20]
durchgerungen, daß in der Partei alle Arbeiter gleichberechtigt sind, gleichviel, welcher wirtschaftlichen Organisation sie angehören oder nicht angehören mögen. Wer mitarbeiten will, und sich entsprechende Verdienste um die Partei erwirbt, der soll zu jedem Amt gelangen können, das seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht. Trotz der scharfen Differenz in der Berliner Versammlung kann man diese doch als die Geburtsstunde der Berliner deutschnationalen Arbeiterbewegung bezeichnen.
Von den wirtschaftsfriedlichen Kreisen, die damals Rüffer opponierten, ist Gustav Wischnöwski einer der treuesten Mitarbeiter geworden. Robert Peter hat sich als Vorsitzender des Hausbesitzervereins ins Berliner Stadtparlament wählen lassen und ist aus der Arbeiterbewegung ausgeschieden.
Im Anschluß an diese erste Berliner Arbeitertagung wurden von der Geschäftsstelle des Reichsarbeiterausschusses Kurse veranstaltet, um Arbeiterführer heranzubilden. Es entstanden nun in Groß-Berlin zahlreiche deutschnationale Arbeitergruppen,
Die zweite Arbeitertagung fand in Hannover im Anschluß an den zweiten Reichsparteitag 1920 statt. Auf dieser Tagung standen die Organisationsfragen im Vordergrunde. Der Reichsarbeiterausschuß suchte außer durch die Versammlungstätigkeit, die neugegründeten Arbeitergruppen durch das Mitteilungsblatt der „Führer“ und durch Rundschreiben zu pflegen. Vom 1. Januar 1921 ab erschien die „Deutsche Arbeiterstimme“, als eigenes Monatsblatt. Sie hat sich einer stets wachsenden Beliebtheit zu erfreuen. Inzwischen gingen die einzelnen Landesverbände immer mehr dazu über, Landesausschüsse zu bilden. So hatten Anhalt, Bayern, Danzig, Düsseldorf-Ost, Erfurt, Hamburg, Hannover, Lippe, Mecklenburg, Niederrhein, Ostpreußen, Pommern, Sachsen, Potsdam, Westfalen-Nord, Schlesien und Frankfurt Landesausschüsse in Verbindung mit dem Reichsarbeiterausschuß ins Leben gerufen.
Inzwischen steigerte sich aber die Agitationstätigkeit außerordentlich stark. Der Geschäftsführer des Reichsarbeiterausschusses wurde in die verschiedensten Gegenden gerufen, um Vorträge zu halten. Fast dauernd war er unterwegs. Im Jahre 1920 und in der ersten Hälfte von 1921 unternahm er längere Vortragsreisen nach Baden, Schleswig-Holstein, Braunschweig, Ostpreußen, Provinz Sachsen. Die Folge war naturgemäß, daß die eigentliche Organisationsarbeit hinter der Werbetätigkeit zurücktreten mußte, das war der Grund, weshalb der Kollege Wilhelm Lindner als Organisationssekretär berufen wurde. Wilhelm Lindner trat am 1. Juli 1921 sein Amt an.
Auf dem dritten Parteitage in München im Oktober 1921 wurde der Deutschnationale Arbeiterbund gegründet. Die Gründungstagung nahm einen erregten
[21]
Verlauf, weil außerhalb der Arbeiterschaft stehende Kreise einen Vorstoß zur Beseitigung der bisherigen Führer finanziert hatten. Der Vorstoß wurde völlig abgewehrt, auf diese Weise konnte man den bisherigen Führern nicht beikommen. Sie stehen alle auf dem Standpunkt, daß jeder, der durch Mitarbeit sich Verdienste und Vertrauen erwirbt, selbstverständlich das Recht auf jedes Ehrenamt zu beanspruchen hat. Sie würden sich freuen, wenn andere tatkräftigere, befähigtere, erfolgreichere Mitarbeiter sie ablösen würden. Aber die Leistungen für die Deutschnationale Volkspartei, speziell die Leistungen innerhalb der Arbeiterschaft für die Deutschnationale Volkspartei, können der einzige Maßstab der Bewertung sein.
Der Deutschnationale Arbeiterbund, die festere Organisationsform, auf die von München ab im wesentlichen die Arbeit übergeht, baute restlos auf dem bisher vom Reichsarbeiterausschuß geschaffenen auf, man wählte aber diese Form, weil man sich davon versprach, die gewonnenen und interessierten Arbeiterkreise dauernd besser binden zu können. Außerdem konnte die Finanzierung der Arbeit so zweifellos leichter geschehen, auch ließ sich leichter eine eigene Literatur entwickeln. Alles das waren Notwendigkeiten, wenn die Arbeit so erfolgreich sein sollte, wie es notwendig war.
[22]
Einer der ersten, nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Reich mit größtem Nachdruck immer wieder aufgestellte Forderung war die der Aufstellung von Arbeitersekretären für die deutschnationale Arbeiterbewegung in möglichst allen Landesverbänden. Der erste für den Westen Deutschlands berufene Sekretär war Hermann Barkey, der seinen Sitz in Bielefeld erhielt, zunächst für ganz Rheinland und Westfalen da war, bald aber einen wesentlich kleineren Bezirk erhalten mußte, und der nun schon seit mehr als fünf Jahren von Bielefeld aus die Arbeiterschaft für den deutschnationalen Gedanken zu gewinnen und sie in ihm zu erziehen versucht. Aehnliche Anstellungen erfolgten in den meisten Landesverbänden. Nicht alle, die einmal hauptamtlich im Dienst der Bewegung gestanden haben, sind noch in ihr tätig, aber ein erheblicher Teil hat sich durchaus bewährt und es sind die aus der Arbeiterschaft hervorgegangenen hauptamtlichen Mitarbeiter wahrlich nicht die schlechtesten Kräfte in der Partei! Vielfach gehören sie zu den wirkungsvollsten Rednern und Werbern, denen man in Wahlkämpfen gerne die schwierigsten Orte gibt und die auch aus den sozialistischen und kommunistischen Hochburgen die zahllosen gewonnenen Stimmen herausgeholt haben, soweit sie überhaupt einer herauszuholen verstand. Zurzeit sind als Arbeitersekretär tätig in Westfalen-Ost Hermann Barkey-Bielefeld, von Haus aus Maurer. In Hannover der Schlosser August Günther, der bei der letzten Landtagswahl fast gewählt worden wäre, der im übrigen Stadtverordneter in Hannover ist. In Bremen ist der Monteur Karl Hackenberg, Mitglied der Bürgerschaft und Vorsitzender des Deutschnationalen Arbeiterbundes als Arbeitersekretär tätig. In Mittelschlesien August Köster-Breslau, in Niederschlesien für den Bezirk Görlitz der Metallarbeiter Karl Hölterhoff, für die Kreise Freystadt und Sprottau Wilhelm Putschkausky, für den Landesverband Frankfurt (Oder) der Maschinist Robert Hackländer. Der Führer im Landesverband Schleswig-Holstein ist Stadtverordneter Karl Gröpper in Kiel, der früher Metallarbeiter war und seit einigen Jahren sich ganz in den Dienst der Partei gestellt hat. Im Senftenberger Braunkohlengebiet sitzt der Gärtner Wilhelm Wilken, der bei der letzten Wahl zum preußischen Landtag kandidierte, für dessen Wahl leider die Stimmenzahl aber nicht ganz ausreichte. In Ostpreußen ist Fritz Mühlke tätig, in Oberschlesien Fridolin Straube.
In Berlin war der erste Berufsarbeiter der Holzarbeiter Hermann Dunkel. Der Veteran unserer Bewegung, der bereits vor dem Kriege zweimal für den Reichstag kandidiert hatte, nun aber eine Aufstellung ablehnte. Später trat an seine Stelle Kersten und seit dem Frühjahr 1925 ist als Arbeitersekretär Johann Barteis tätig. In Potsdam I wirkte bis zur Inflation der Kollege Max Schmidt als Arbeitersekretär und in Potsdam II zunächst der Kollege Karl Friedrich und seit 1924 der Kollege Max Wagner.
[23]
Außerdem stehen im Parteidienst als Kreisgeschäftsführer usw.: Bähre-Minden, Bördner-Dt.-Eylau, Hofmann-Hamburg, Hopp-Landsberg, Hoßfeld-Demmin, Kohleik-Gummersbach, Lummel-Essen, Lüdecke-Reppen, Mahron-Rügen, Mattert-Neumartkt, Mehlhose-Görlitz, Nolting-Schaumburg-Lippe, Pilz-Best-Recklinghausen, Simon-Friedeberg NM., vom Stein-Wermelskirchen, Warwas-Nordhausen, Voigtländer-Merseburg.
Bei der Wahl zum Reichstag am 6. Juni 1920 wurden Franz Behrens, Margarete Behm und Wilhelm Koch wiedergewählt. Zu ihnen gesellte sich Emil Hartwig, der in Hessen-Nassau mit Helfferich auf einer Liste gewählt wurde.
Das erleichterte insofern wesentlich die Arbeit, als er nunmehr stärker als bisher, wo er nur von Bielefeld aus schriftlich oder gelegentlich von Vorstandssitzungen mündlich zur Mitwirkung kommen konnte, die Leitung in Berlin Persönlich übernahm.
Mit ihm schied bereits einer der letzten aus dem Bielefelder Kreis aus, der dort gleich nach der Revolution in der Gütersloher Str. 45
[24]
zusammensaß und aufs eifrigste mitarbeitete und von dem eine lebhafte Bewegung im ganzen Reich ausgegangen ist. Aus ihm ist Franz Behrens in Ostpreußen, Emil Hartwig in Hessen-Nassau in den Reichstag gewählt worden. Am 4. Mai 1924 zogen zwei weitere aus diesem Kreise, nämlich Gustav Hülser von Mittel-Schlesien und Wilhelm Lindner von Frankfurt (Oder) in den Reichstag ein. Letzterer vertauschte am 7. Dezember 1924 sein Reichstagsmandat mit einem Landtagsmandat im gleichen Bezirk. Karl Meyer war Landtagsabgeordneter, Heinich Scheck wurde Mitglied des vorläufigen Reichswirtschaftsrats und August Oberbossel zog zunächst in den westfälischen Provinziallandtag, später in das Kasseler Stadtparlament ein.
Bei der Wahl zum preußischen Landtag am 20. Februar 1921 kam Köhler, der als Vertreter der inzwischen abgetretenen Grenzmark Posen-Westpreußen gewählt war, nicht wieder in Betracht. Dallmer und Martin wurden wiedergewählt. Neu hinzu kamen: Karl Meyer, der auf der Landesliste gewählt wurde, Paul Rüffer, der sowohl in Berlin als in Schleswig-Holstein gewählt war und die Wahl in letzterem Bezirk annahm, und endlich der Gärtner Paul Giese, den die Pommern in den Landtag gesandt hatten.
Bei der Nachwahl in Oberschlesien im November 1922 kam dann als erster katholischer Arbeiter Friedolin Straube in den Landtag. Im März 1924 erfuhr das Arbeiterelement in der Preußenfraktion noch eine Vermehrung durch den Uebertritt Wiedemanns von der Deutschen Volkspartei.
Die Arbeitertagung im Anschluß an den Görlitzer Parteitag im Herbst 1922 befaßte sich wieder mit dem Ausbau der Arbeiterbewegung. Inzwischen setzte mit voller Wucht die Geldentwertungsperiode ein. Das geplante Wohlfahrtsamt des Deutschnationalen Arbeiterbundes konnte wegen der Inflation damals leider nicht verwirklicht werden. Nichtsdestoweniger hatte aber der Deutschnationale Arbeiterbund für augenblickliche Notstände Hilfsmaßnahmen ins Leben gerufen.
Ende 1921, als in Berlin nach der Revolution zum ersten Male eine außerordentlich starke Arbeitslosigkeit sich bemerkbar machte, wandten sich kommunistische Erwerbslose an den geschäftsführenden Ausschuß des Deutschnationalen Arbeiterbundes um Hilfe. Am 23. Dezember fand im Swinemünder Gesellschaftshause in der Swinemünder Str. die erste Erwerbslosenversammlung statt, in der es zu tumultarischen Vorgängen kam. Die Versammlung war aber doch die Veranlassung zu der Erwerbslosenfürsorge des Deutschnationalen Arbeiterbundes. Am folgenden Tage schon erließ der geschäftsführende Ausschuß einen Aufruf an die Deutschnationalen mit der Bitte um Hilfe. Die Spenden gingen reichlich ein, und aus dem Fonds konnten die Familien der Erwerbslosen nach eingehender Prüfung
[25]
ihrer Verhältnisse bedacht werden. Wichtiger aber war die Arbeitsvermittlung, die, zunächst von der Bundesleitung, später vom Landesverbande Berlin übernommen wurde, und heute noch besteht,
Im Frühsommer 1922 und nach dem Rathenaumorde ging eine wahre Terrorwelle über die deutschnationale Arbeiterschaft hinweg. Zahlreiche Gesinnungsgenossen wurden von ihren sozialistischen und kommunistischen Kollegen brotlos gemacht. Mißhandlungen, darunter auch zwei Todesfälle, wurden gemeldet. Der Deutschnationale Arbeiterbund griff sofort ein. Im Preußischen Landtage wurde eine „Große Anfrage“ eingebracht und außerdem wurde eine Terrorhilfe ins Leben gerufen, durch welche die Familien der bedrängten Gesinnungsfreunde unterstützt wurden. Im folgenden Jahre, unter dem Zeichen der großen Geldentwertung, suchte der Deutschnationale Arbeiterbund durch die Wirtschaftshilfe seinen Mitgliedern nach Möglichkeit zu helfen. Zuvor aber hatte der Bund nach Einbruch der Franzosen ins Ruhrgebiet eine „Ruhrhilfe“ ins Leben gerufen. Durch dieselbe war es möglich, Gesinnungsgenossen der Verfolgung der Franzosen zu entziehen, und die Familien der bedrängten Mitglieder zu unterstützen. Die für diesen Zweck ausgegebenen Summen zu nennen
[26]
hat keinen Wert, da es sich um ganz verschiedenwertige Papiermarkbeträge handelt.
Der organisatorische Ausbau des Deutschnationalen Arbeiterbundes schritt in allen Landesbezirken fort, allerdings nicht in gleicher Geschwindigkeit. In Süddeutschland geht die Bewegung nur langsam ihren Gang, hier ist es besonders Adolf Schroeder, der sie fördert, aber auch in Norddeutschland ist das Tempo verschieden. In Breslau, Bremen, Hamburg, Danzig, Dortmund, Stettin und anderen Großstädten geht es mit am besten. Im Ruhrgebiet zeichnet sich besonders in letzter Zeit das Best-Recklinghausen aus, wo der Kollege Pilz mit großem Erfolg die Arbeit leitet und in kurzer Zeit mehrere tausend Mitglieder, meist Bergarbeiter, fest zusammenschloß.
Im Freistaat Sachsen mußten verschiedene Versuche gemacht werden, bevor wir wirklich Boden fassen konnten. Die ersten Versuche gingen 1922 von Leipzig aus, wo man jedoch über kleine Anfänge nicht hinauskam. Die in anderen Orten Sachsens unternommenen Versuche den DNAB. einzuführen, hatten auch nur teilweise Erfolg. In Zwickau wurde Zimmermann Stadtverordneter, In Leipzig Krumsdorf. Erst 1923 war es möglich, durch einen erfolgreich durchgeführten Vorstoß, auch im roten Sachsen endgültig Boden zu gewinnen. Anläßlich des vom 16.-17. Juni 1923 stattgefundenen Parteitages der Deutschnationalen Volkspartei fand im Ständehaus eine Deutschnationale Arbeitertagung statt, an der etwa 50 Arbeiter aus allen Gauen Sachsens teilnahmen. Nach einem Vortrag des Gewerkschaftssekretärs Georg Hartmann über die Bedeutung des DNAB. wurde die Gründung vollzogen, und zum Vorsitzenden Georg Hartmann gewählt.
Nun ging man mit Eifer an den inneren und äußeren Ausbau des Arbeiterbundes heran. Tausende von Flugblättern wurden unter der Sächsischen Arbeiterschaft verbreitet. Bald gelang es zum Teil unter Mitwirkung der Partei-Instanzen, in verschiedenen Orten Ortsgruppen des DNAB. zu gründen.
In der Lausitz betrieben der Buchdrucker Paul Meier und der Arbeitersekretär Hofmann eine besonders erfolgreiche Agitation. In der sozialistisch-kommunistischen Hochburg Freital konnte unter Mitwirkung der Hüttenarbeiter Schulze, Findeisen und Lotze eine nennenswerte Ortsgruppe des DNAB. gegründet werden, wie auch in anderen Gegenden des Sachsenlandes, so im Vogtland, Erzgebirge, Leipzig, Pirna usw. eine günstige Entwicklung des DNAB. zu verzeichnen ist, so daß heute der DNAB. in 37 Orten Sachsens vertreten ist.
Im Jahre 1924 konnte der nunmehr gebildete Landesverband Sachsen in den Räumen des Landesverbandes der DNVP. eine eigene Geschäftsstelle des Arbeiterbundes errichten.
Bei den im Mai und Dezember 1924 stattgefundenen Reichstagswahlen wurde der Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen des DNAB., Georg Hartmann in den Reichstag entsandt.
[27]
Der Arbeiterbund selbst griff energisch in diese Wahlkämpfe ein und dürfte durch Gewinnung zahlreicher Arbeiterwähler einen nicht geringen Anteil an dem glänzenden Sieg der DNVP. haben.
Auch bei der Reichspräsidentenwahl hat der DNAB. in Sachsen eine durchgreifende Wahlarbeit betrieben und wesentlich zu dem glänzenden Erfolg beigetragen.
Neben all dieser organisatorischen Arbeit kam die agitatorische nicht zu kurz. In verschiedenen Bezirken wurden unter Leitung vom Bundesvorsitzenden Emil Hartwig Arbeitertagungen abgehalten. In den verschiedensten Gegenden, wie der Niederlausitz, Schlesien, Pommern, Thüringen, Sachsen, Bayern, wurde die deutschnationale Arbeiterbewegung planmäßig durch Agitationsversammlungen, durch Verbreitung der „Deutschen Arbeiterstimme“ und durch Anstellung von Arbeitersekretären gefördert. Dazu kamen die fortgesetzten Wahlkämpfe, bald in den einzelnen Bundesstaaten, bald im Reiche. Der Deutschnationale Arbeiterbund hat sich an all diesen Wahlen beteiligt. Und zwar meist in viel größerem Umfange, als es nach außen hin erkannt worden ist. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg z.B. die gleichzeitig mit der
[28]
Landtagswahl in Thüringen stattfand, konnte der Deutschnationale Arbeiterbund glatt 100 Veranstaltungen übernehmen, und wenn in Thüringen etwas weniger zustande kamen,: so lag das nicht daran, daß der Deutschnationale Arbeiterbund keine Kräfte zu stellen bereit war, sondern an anderen Dingen, die mit der Bürgergemeinschaftsliste zusammenhingen. Bei den Landtagswahlen in Baden, Lippe, Oldenburg, Schaumburg-Lippe, Danzig, Hessen, usw. überall konnten wir mitwirken und unsere Redner stellen. Bei der Reichstagswahl am 4. Mai vermittelte die Zentrale des Deutschnationalen Arbeiterbundes allein 188 Redner für etwas über 2000 Versammlungen. 83 000 Broschüren und eineinhalb Millionen Flugblätter wurden vertrieben. 10 deutschnationale Abgeordnete, die aus dem Arbeiterstande hervorgegangen, wurden gewählt, nämlich Behrens, Behm, Koch, Hartwig, Hartmann, Hülser, Lindner, Wolf, Wischnöwski und als Gast der Fraktion Geisler.
Bei der Reichstagswahl und Landtagswahl in Preußen am 7. Dezember 1924 betrug die Zahl der Flugblätter, die von der Zentrale versandt wurde, 7 ¾ Millionen, während die Untergliederungen im Lande weitere 1,8 Millionen in den Wahlkampf hinauswarfen. Diese Zahlen geben ein deutliches Bild von der außerordentlichen umfangreichen Tätigkeit, die bei diesen Anlässen von der Zentrale des Deutschnationalen Arbeiterbundes geleistet wurden. Und diese Arbeit wurde vollbracht, trotzdem sowohl der Vorsitzende als auch die beiden Geschäftsführer selbst kandidierten und in den eigenen Wahlkreisen reden mußten. Am 7. Dezember wurden Lindner und Wischnöwski nicht wieder in den Reichstag, sondern in den Landtag gewählt, während Giese von dem Landtag in den Reichstag wechselte. Neu zogen außerdem in den Preußischen Landtag ein Hein, Hürtgen, Jahnke, Roth, Schmidt, Wehmeier.
Bei der Jarreswahl war die Beteiligung unseres Bundes nicht besonders stark. Das lag einmal an dem mehr als merkwürdigem Zustandekommen der Kandidatur Jarres, zum anderen aber auch daran, daß die Propagandatätigkeit des Reichsblocks naturgemäß eine andere sein mußte, als es bei den Parteiwahlen der Fall war.
Bei der Hindenburgwahl hat der Deutschnationale Arbeiterbund alles, was ihm irgend zur Verfügung stand, in den Wahlkampf hineingeworfen. Er hatte auch in etwas größerem Maße die Möglichkeit als bei der Jarreswahl, da ihm etwas mehr Mittel zugeflossen waren.Insbesondere hat er bei dieser Gelegenheit durch eine Massenauflage der „Deutschen Arbeiterstimme“ hervorragend zu wirken versucht, und viele Bestätigungen aus dem Lande sind dahingegangen, daß die Hindenburg-Nummer der „Deutschen Arbeiterstimme“ in ganz erheblichem Maße zum guten Ausgange des Wahlkampfes beigetragen hat.
Vor der Wahl empfing Hindenburg in Hannover eine Arbeiterdelegation, welcher Vertreter der verschiedensten nationalen wirtschaftlichen
[29]
Organisationsrichtungen angehörten, sie alle aber waren Mitglieder unseres Deutschnationalen Arbeiterbundes.
Nach der Wahl hat die Bundesleitung dem Generalfeldmarschall folgendes Schreiben übersandt:
„Sehr verehrter Herr Generalfeldmarschall!
Der Deutschnationale Arbeiterbund beglückwünscht Sie, sehr verehrter Herr Generalfeldmarschall, und das ganze deutsche Volk zu Ihrer Wahl als Reichspräsident. Die auf der Gegenseite stehenden Kräfte der Sozialdemokratie, des Zentrums und der Demokratie haben zusammen nicht mehr soviel Stimmen aufzubringen vermocht, als die Sozialdemokraten bei der Wahl zur Nationalversammlung allein aufbrachten. Das ist ein ganz untrügliches Zeichen der Gesundung unseres Volkes, ganz besonders aber der Arbeiterschaft, die sich nicht mehr durch die Revolutionsgesinnung verführen läßt, sondern in erheblichen Teilen zurückgefunden hat zu den schwarz-weiß-roten Grundsätzen deutscher Treue, christlicher Sittenauffassung und sozialer Versöhnung. Wir werden mit allen Mitteln bestrebt sein, diesem Gesundungsprozeß eine weitere Ausdehnungsmöglichkeit zu geben, und
[30]
werden alle Maßnahmen zur Reinigung und Einigung unseres Volkes, die Sie, Herr Reichspräsident, hierzu für Notwendig halten, nachdrücklichst unterstützen.
Mit deutschem Gruß!
ergebenst:
Der Vorstand des Deutschnationalen Arbeiterbundes.
Hartwig, M.d.R., Bundesvorsitzender.“
Wir erhielten folgende Antwort:
„Dem Deutschnationalen Arbeiterbund danke ich von Herzen für die freundlichen Wünsche und Treugrüße, die Sie mir mit Ihrem gefälligen Schreiben vom 28. April erneut übermittelt haben. Gott segne Ihre fernere Arbeit.
Mit deutschem Gruß!
Von Hindenburg!“
* * *
Gelegentlich des Zollkampfes hat der Bund durch eine Massenauflage der „Deutschen Arbeiterstimme“ in sehr erheblichem Maße eingewirkt, 480 000 Exemplare sind ins Land hinausgegangen und haben und haben der sozialistischen Demagogie entgegengewirkt.
Zwei bedeutsame Ereignisse brachte der Sommer 1925. Am 1. Juli wurde das längst geplante Wohlfahrtsamt des Deutschnationalen Arbeiterbundes in Hamburg ins Leben gerufen. Kollege Karl Zimmermann übernahm die Leitung. Die Veranlassung zur Gründung dieses Wohlfahrtsamtes hat die Erkenntnis gegeben, daß unseren politischen Freunden für die besonderen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Lebens eine Art Hilfstellung gegeben werden muß. Seit Jahren ist die Forderung immer wieder erhoben worden, den Deutschnationalen Arbeiterbund zu einer Gewerkschaft auszubauen. Das ist aus den verschiedensten Gründen nicht möglich und nicht wünschenswert. Wohl aber ist es möglich, soziale Hilfseinrichtungen zu schaffen. Schon vor der Inflation wurde der Beschluß gefaßt, ein Wohlfahrtsamt ins Leben zu rufen, aber die nun einsetzende sehr starke Geldentwertung verhinderte die Ausführung dieses Beschlusses. Nachdem nun aber die Gesundung der Geldverhältnisse gekommen ist, hat der Deutschnationale Arbeiterbund nicht gezögert, das Wohlfahrtsamt ins Leben zu rufen und den Kollegen Zimmermann mit der Durchführung dieses Werkes zu betrauen. Es handelt sich bei diesem Wohlfahrtsamte um verschiedene Versicherungszweige, Arbeitsversorgung, Rechtsschutz usw. Wir können den Mitgliedern des Deutschnationalen Arbeiterbundes nur dringend raten, sich mit dem Kollegen Zimmermann, Hamburg I, Besenbinderhof 47, in Verbindung zu setzen. Jedermann erhält von dort unentgeltlich Rat und Auskunft. Wir wünschen und hoffen, daß das Wohlfahrtsamt sich zum Segen unserer Mitglieder entwickeln möge.
[31]
Das zweite Ereignis war die Deutschnationale Arbeitertagung in Bielefeld am 9. August. Ihre besondere Bedeutung liegt darin, daß diese Tagung Stellung nehmen sollte, zu den besonders schwierigen Problemen der äußeren und inneren Lage unseres Volkes. Es handelte sich in der äußeren Politik um die Entwaffnungsnote und um den Sicherheitspakt. In der inneren Politik um die Aufwertungsfrage, Steuergesetz und Zolltarif. Zu all diesen Lebensfragen des deutschen Volkes hat die Delegiertentagung in Bielefeld sowohl durch die Hauptredner, als auch durch die Debatteredner mit aller Entschiedenheit Stellung genommen und in einer Reihe von Entschließungen hat die Reichsarbeitertagung ihre Forderungen aufgestellt. Diese Entschließungen haben folgenden Wortlaut:
„1. Die in Bielefeld tagende, aus allen Teilen des Reiches zahlreich besuchte Reichstagung des Deutschnationalen Arbeiterbundes erblickt in der Entwaffnungsnote und dem Briandschen Sicherheitspakt weitere Glieder der in Versailles begonnenen Kette von Maßnahme zu dem Zwecke, das deutsche Volk für alle Zeiten in fremder Knechtschaft und niedriger Sklaverei zu halten. Die Annahme dieser feindlichen Forderungen würde Vermehrung der Arbeitslosigkeit, weitere Verkrüppelung der deutschen Wirtschaft und eine fortgesetzte
[32]
Steigerung der Ansprüche der Siegerstaaten bedeuten. Ein Verzicht auf Elsass-Lothringen und Eupen-Malmedy ist für jeden vaterländisch gesinnten Deutschen eine Unmöglichkeit. Aber auch für unsere Volksgenossen in den Ostmarken würden Sicherheitspakt und Entwaffnungsnote neue Gefahren heraufbeschwören. Die leider durch deutsche Volksgenossen systematisch geförderte Verpolung der Ostmarken wäre dann sichergestellt und damit jeder Widerstand gegen eine gewaltsame Aenderung der Grenzen zugunsten Polens beseitigt, zumal die Garantien unserer ehemaligen Feinde erfahrungsgemäß versagen.
Wir fordern deshalb mit aller Entschiedenheit, daß die Reichsregierung diese unannehmbaren Zumutungen der Entwaffnungsnote im Interesse der deutschen Arbeiterschaft ablehnt und die Lebensbelange der Arbeiterschaft wahrt, daß die Reichsregierung ferner alle Mittel erschöpft, um eine Revision „unannehmbar gewordener Verträge“ herbeizuführen, und daß sie unter keinen Umständen über das Versailler Diktat hinausgeht und Grenzen freiwillig anerkennt, die uns mit brutaler Gewalt aufgezwungen wurden.
[33]
Von den deutschen Gewerkschaften erwartet die Reichstagung, daß sie in Wahrung der Interessen der Arbeiter die Forderung der Entwaffnungsnote bekämpfen und der Reichsregierung dadurch die Stellungnahme erleichtern.
2. Der Deutschnationale Arbeitertag in Bielefeld begrüßt die Stellungnahme der Deutschnationalen Reichstagsfraktion in der Schutzzollfrage. Landwirtschaft und Industrie müssen den notwendigen Schutz erhalten, um auch dadurch der deutschen Arbeiterschaft die Lebensmöglichkeiten sicherzustellen.
Die Tagung nimmt gerne Kenntnis davon, daß nach den Ausführungen des Herrn Reichskanzlers Garantien geschaffen werden sollen, welche die Lage der Arbeiterschaft auch in schwerer Zeit erträglich gestalten; insbesondere, daß endlich dem unerhörten Preiswucher, der unser ganzes Wirtschaftsleben vergiftet, mit allen gesetzlichen Mitteln das Handwerk gelegt wird.
Die Tagung verurteilt ganz entschieden das verhetzende Spiel der Linksparteien, welche trotz besseren Wissens eine gefährliche, arbeiterschädigende Politik betreiben, und ersucht die deutschnationalen Arbeiterabgeordneten,
[34]
sich zu allen Zeiten für eine gesunde nationale Wirtschaftspolitik einzusetzen.
3. Die Reichstagung des Deutschnationalen Arbeiterbundes in Bielefeld weist die deutsche Oeffentlichkeit, insbesondere die gesamte deutsche Arbeiterschaft auf den brutalen polnischen Uebermut hin, der Zehntausende deutscher Optanten rücksichtslos von Haus und Herd vertrieben hat, während die „Internationale“ wieder einmal völlig versagt und nicht den geringsten Versuch macht, für diese Deutschen die einfachsten und selbstverständlichsten Menschenrechte zu erkämpfen.
Die deutschnationale Arbeiterschaft klagt die preußische Regierung, die für die Ostjuden seit Jahren mit größtem Entgegenkommen gesorgt und sie in jeder Beziehung bevorzugt, die aber, in ihren pazifistischen Illusionen befangen, alles verabsäumt hat, die notwendigen Maßnahmen zur Aufnahme und Unterbringung des Optantenstroms zu treffen, schwerster Versäumnis an. Die Flüchtlingslager haben sich als schlimmer, denn die berüchtigten englischen Konzentrationslager zur Ausrottung der Burenfrauen und Kinder erwiesen.
Die Tagung fordert sofortige und rücksichtslose Gegenmaßnahmen gegen polnische Staatsangehörige: kein Nachgeben in dem von Polen heraufbeschworenen Wirtschaftskrieg, Schutzzölle gegen polnisch-oberschlesische Kohlen, Aufklärung in aller Welt über die unhaltbare Ostgrenze, die Schmach des Korridors, die Bedrohung Ostpreußens und Danzigs. Von den deutschen Arbeitgebern fordert die Tagung, daß sie auf die Beschäftigung polnischer Staatsangehöriger verzichten, solange noch ein deutscher Arbeitssuchender keine Beschäftigung in seinem Vaterlande finden kann.
4. Die Reichstagung des Deutschnationalen Arbeiterbundes begrüßt die verantwortungsbewusste Haltung der deutschnationalen Reichstagsfraktion in der Aufwertungsfrage, die allein eine Aufwertung und damit eine Wiedergutmachung der sozialistischen Inflationsunrechts ermöglicht hat. Die Tagung erkennt dankbar die Bemühungen, einen gerechten Steuerausgleich zu finden, an; da sich noch nicht alle berechtigten Wünsche erfüllen ließen, erwartet sie weitere Ausgestaltung unseres Steuersystems.
In Verbindung damit erwartet sie, daß die öfters vorgekommene Verwendung der Hauszinssteuer zur Ausbalancierung der Etats, Ausführung öffentlicher Bauten, Fest-, Messehallen und ähnlichen Zwecken unterbleibt und die aus dieser Steuer aufkommenden Gelder restlos zum Wohnungsbau verwandt werden,
In der Frage des Sicherheitspaktes und der Entwaffnungsnote erwartet die Tagung, daß die Fraktion den einzig möglichen Standpunkt einnimmt, nach wie vor einmütig alle französischen Zumutungen, die Unerträgliches
[35]
von uns fordern, abzulehnen, insbesondere auch die Zumutung der Zerstörung von Betrieben und Werkzeugen, die eine ungeheure Arbeitslosigkeit zur Folge haben würde.
Indem die Tagung den Abgeordneten des Arbeiterbundes besonderen Dank für ihre Bemühungen um eine soziale, völkisch-nationale und christlich-sittliche Ausgestaltung der deutschen Politik sagt, spricht sie der Gesamtreichstagsfraktion und der Parteileitung ihr vollstes Vertrauen aus.
5. Der Deutschnationale Reichsarbeitervertretertag erwartet, daß der frühere deutschnationale Reichstagsabgeordnete, Oberlandesgerichtspräsident Dr. Best, der sich ehrenwörtlich schriftlich verpflichtet hat, bei seinem eventuellen Austritt aus der Deutschnationalen Volkspartei sein Mandat niederzulegen, seine ehrenwörtliche Erklärung erfüllt. Der Arbeitertag müßte in einer weiteren Weigerung des Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Dr. Best den Bruch eines gegebenen Ehrenwortes erblicken und setzt voraus, daß ein Mann von der hohen Stellung und Bildung des Herrn Dr. Best sich keiner Haltung schuldig macht, die mit den Grundsätzen ehrenhaften Handelns nicht mehr in Einklang zu bringen wäre.
[36]
6. Der Vertretertag des Deutschnationalen Arbeiterbundes fordert zur Einschränkung des Alkoholmißbrauchs vom Reichstag die baldige Verabschiedung des Schankstättengesetzes unter Einbeziehung eines wirksamen Gemeindebestimmungsrechtes, was zum Wiederaufbau des Volks- und Wirtschaftslebens dringend erforderlich ist.
* * *
Außerdem haben wir im Jahre 1925 zwei besondere freudige persönliche Ereignisse erlebt. Zuerst wurde unsere altverehrte Mitbegründerin Margarete Behm von der medizinischen Fakultät der Universität Greifswald ehrenhalber zum Doktor promoviert, eine Ehrung, die bisher noch keinem Angehörigen irgendeiner Arbeiterbewegung zuteil geworden war.
Anläßlich der Jahrtausendfeier in diesem Sommer hat dann die Universität Bonn unserem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Koch gleichfalls ehrenhalber zum Doktor rer. pol. promoviert. Mit ihm einen Sozialdemokraten und einen Zentrumsmann, so daß in der deutschen Arbeiterbewegung heute vier Ehrendoktoren sind, von deren zwei unserem Deutschnationalen Arbeiterbund angehören. Wir freuen uns, daß die Wissenschaft die Leistungen unserer führenden Kollegen
[37]
anerkannt und auf ihre Weise zu ehren für notwendig gehalten hat.
Waren auch die ersten tätigen Mitarbeiter die Mitglieder der ehemaligen christlich-sozialen Partei, so konnten sie doch die übernommenen Aufgaben nur erfüllen, wenn sie in viel weitere und bisher ganz anders eingestellte Arbeiterkreise eindrangen. Es ist auch, erfreulicherweise, im stärksten Maße gelungen, Hunderttausende mobil zu machen, die von der früheren Existenz einer christlich-sozialen Partei keine Ahnung hatten. Wenn wir heute 2 ¼ Millionen sicherer Wähler zählen, dann sind das Arbeiter, die den verschiedensten Parteien in der Vergangenheit angehört haben. Auch unter den heutigen Abgeordneten sind mehrere, die früher bei anderen Parteien in mehr oder weniger hervorragender Stelle mitgewirkt haben. Straube und Wolf
[38]
kamen vom Zentrum, Wiedemann von der Deutschen Volkspartei, ebenso der Fraktionsgast Geisler, Roth war früher demokratischer Abgeordneter in Württemberg.
Noch steht der Deutschnationale Arbeiterbund vor schweren Kämpfen. Sein Ziel ist so lange nicht erreicht, als die Mehrheit der deutschen Arbeiter noch im Banne des Marxismus lebt. Es ist die historische Aufgabe des Deutschnationalen Arbeiterbundes, die Arbeiterschaft von diesem Druck zu befreien, sie zu bewußt staatsbejahenden, gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft heranzuziehen, sie einzureihen ins Volksganze, ihnen die Rechte zu erkämpfen, die andere haben, sie willig und fähig machen, die Pflichten gegenüber dem Staat so gut zu erfüllen, wie nur ein Stand dazu in der Lage ist. Er will sein Ziel erreichen durch Schulung, Belehrung und Erziehung, er will es erreichen Hand in Hand mit den übrigen Gliedern der Deutschnationalen Volkspartei, erreichen, in dem großen Strom wahrer Volksgemeinschaft, wie er vorbildlich in der Deutschnationalen Volkspartei bereits hergestellt ist und wie er organisch im ganzen Volke herausgearbeitet werden muß, soll Deutschland wieder groß und stark werden.
Er will werben darum, daß auch die nicht dem Arbeiterstande angehörenden Kreise Verständnis für seine Wünsche und Bestrebungen haben, daß sie lernen, nur auf den Menschen, nicht auf seinen Rock zu sehen, und er will dazu beitragen, daß das Wort Ferdinand Freiligraths immer mehr Gültigkeit bekommt;
Wer den wuchtigen Hammer schwingt,
Wer im Felde mäht die Aehren,
Wer ins Mark der Erde dringt,
Weib und Kinder zu ernähren;
Wer stroman den Nachen zieht,
Wer bei Wolle, Werg und Flachse
Hinterm Webestuhl sich müht,
Daß sein blonder Junge wachse:
Jedem Ehre! Jedem Preis!
Ehre jeder Hand voll Schwielen,
Ehre jedem Tropfen Schweiß,
Der in Hütten fällt und Mühlen,
Ehre jeder feuchten Stirn
Hinterm Pfluge und auch dessen,
Der mit Schädel und mit Hirn
Hungernd pflügt, sei nicht vergessen!
Albrecht, [Paul] S. 12 Bähre S. 23 Barkey, Hermann S. 22 Bartels, Johann S. 22 Behm, Margarete S. 12, S. 23, S. 28, S. 36 Behrens, Franz S. 12, S. 15, S. 23, S. 24, S. 28 Best, Dr. S. 35 Bördner S. 23 Braun, Wilhelm S. 12 Brodowski, [Adolf] S. 12 Büchsenschütz, Otto S. 16 Dallmer, Franz S. 12, S. 24 Dunkel, Hermann S. 9, S. 22 Elfert, Franz S. 19 Findeisen S. 26 Friedrich, Karl S. 22 Geisler S. 28, S. 38 Giese, Paul S. 24 Gröpper, Karl S. 22 Günther, August S. 22 Hackenberg, Karl S. 13, S. 22 Hackländer, Robert S. 22 Hartmann, Georg S. 26, S. 28 Hartwig, Emil S. 13, S. 14, S. 23, S. 24, S. 27 Hein S. 28 Hölterhoff, Karl S. 22, S. 28 Hofmann S. 23, S. 26 Hopp S. 23 Hoßfeld S. 23 Hülser, Gustav S. 24, S. 28 Hürtgen S. 28 Jahnke S. 28 Jarre S. 28 Jensen, J. P. S. 12 Kersten S. 22 Knollmann, Fritz S. 12 Koch, Wilhelm S. 12, S. 23, S. 28, S. 36 Köhler, [Gottlieb ?] S. 12, S. 24 Köster, August S. 22 Kohleik S. 23 Kreiling, Simon S. 10, S. 12 Krumsdorf S. 26 Lindner, Wilhelm S. 20, S. 24, S. 28 Lotze S. 26 Lüdecke S. 23 Lummel S. 23 Mahron S. 23 Martin, Richard S. 12, S. 24 Mattert S. 23 Mehlhose S. 23 Meier, Paul S. 26 Meyer, Karl S. 24 Mühlke, Fritz S. 22 Nieschmidt, Werner S. 13 Nolting S. 23 Oberbossel, August S. 24 Peter, Robert S. 19, S. 20 Pilz S. 23, S. 26 Putschkausky, Wilhelm S. 22 Roth S. 28, S. 38 Rüffer, Paul S. 12, S. 16, S. 20, S. 24 Scheck, Heinrich S. 24 Schlabach, Karl S. 13 Schmidt S. 28 Schmidt, Franz S. 13 Schmidt, Max S. 22 Schröder, Adolf S. 26 Schütz, [Otto] S. 12 Schulze S. 26 Simon S. 23 vom Stein S. 23 Straube, Fridolin S. 22, S. 24, S. 37 Voigtländer S. 23 Wagner, Max S. 22 Wallbaum, Wilhelm S. 12 Warwas S. 23 Wehmeier S. 28 Wiedemann S. 24, S. 38 Wilken, Wilhelm S. 22 Wischnöwski, Gustav S. 20, S. 28 Wolf S. 28, S. 37 Zimmermann, Karl S. 26, S. 30
Erstellt am 27.01.2019 - Letzte Änderung am 28.01.2019.