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Inhalt:

03/04 erste Kurse der Schule und Ausbruch des 1. WKs
05/06 Gemeindehelfer-Kursus und soziale Studentenkurse
07/08 Vermittlung praktisch-sozialer Arbeitsgelegenheit für Studenten
09/10 Kurse für die Arbeiterbevölkerung in 9 westfälischen Orten
11/12 Geschäftsstellenarbeit und Beamtenvermittlung
13/14 Kriegsauswirkungen
15/16 Dank an Dozenten und personelle Zusammensetzung des Vorstandes
17/18 Gedächtnis der Verstorbenen und Spendenaufruf



Die Evangelisch-sozialen Schule (e. V.)

Ihre Tätigkeit vor und während des Krieges 1914-15-1916.

Bericht, erstattet von: Emil Hartwig, Geschäftsführer.

Herausgegeben und zu beziehen durch die Geschäftsstelle der Evangelisch-sozialen Schule (e. V.), Bielefeld, Gütersloher Straße 45, Fernruf 2478. Postscheckkonto Hannover 572l.



Die Evangelisch-soziale Schule (e V.)
vor und während des Krieges.

Der Ausbruch des Krieges hat die Entwicklung der Evangelisch-sozialen Schule, deren Gründung mit großen Hoffnungen von weiten Kreisen unseres Volkes, nicht zuletzt von unseren Arbeitervereinen, begrüßt wurde, jäh unterbrochen.

Nur etwa ein Jahr lang hat sie, kaum begründet, ihren Zweck erstreben und damit beginnen können, den auf sie eindringenden Bildungs- und Aufklärungsbedürfnissen zu entsprechen und den Grund zu legen für ein Ausbildungswesen, wie es die kraftvoll sich entwickelnde soziale Gliederung des evangelischen Staats-, Volks- und Standeslebens dringend erfordert.

Wie aus dem letzten, dem Gesamtverband evangelischer Arbeitervereine erstatteten Bericht zu ersehen ist, hat die Schule im ersten Jahre ihres Bestehens, 1913 bis 1914, zwei Bibel- und Sozial-Kurse von je 8 Tagen für evangelische Arbeitersekretäre, an denen insgesamt 96 Sekretäre und 7 Gäste teilnahmen, abgehalten. Es wurden folgende Themen behandelt:

„Arbeiterschaft und Kirche", 1 Vortrag;
„Missionsgeschichte", 3 Vorträge;
„Neuere Handels- und Wirtschaftspolitik", 2 Vorträge;
„Der Kampf um die Jugend", 1 Vortrag;
„Die Bedeutung der Landarbeiterfrage", 1 Vortrag;
„Schwierige Kapitel aus der Reichsversicherungsordnung", 1 Vortrag;
„Die Beziehungen der Jünglingsvereine und christlichen Vereine junger Männer und der evangelischen Arbeitervereine zueinander", 1 Vortrag,
„Volksversicherung A.-G. und Volksfürsorge A.-G.", 1 Vor-

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trag;
„Monismus und Christentum", 2 Vorträge;
„Die sozialen Gedanken Jesu und ihre Verwirklichung in der ersten Christenheit nach dem Evangelium Lukas und der Apostelgeschichte", 4 Vorträge;
„Was erhoffen wir durch die evangelisch-soziale Schule?", 1 Vortrag;
„Die Diakonissensache", 1 Vortrag.

Der in allen Einzelheiten vorbereitete Sekretärkursus 1914 wurde unmöglich durch den Ausbruch des Krieges. Verschiedene, bereits eingetroffene Teilnehmer reisten wieder ab.

Das Programm umfaßte unter anderem folgende Punkte:
„Deutschtum und Christentum", 3 bis 4 Vorträge;
„Jesus als Seelsorger nach dem Johannesevangelium", 3 Vorträge;
„Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen der nationalen Wirtschaftspolitik", 2 Vorträge; „Unsere Nationalwirtschaft im Konkurrenzkampf der Völker", 2 Vorträge;
„Göttliches und menschliches Recht", 2 Vorträge.

Im Kriegsjahr 1915 wurde ein kurzer dreitägiger Sekretärkursus veranstaltet, an dem 23 Sekretäre und 4 Gäste teilnahmen. Es wurden Vorträge gehalten über:
„Das Deutschtum in der Weltgeschichte", 2 Vorträge;
„Kriegsursache und Kriegsziele", 1 Vortrag;
„Deutschland als Industriestaat in Vergangenheit und Zukunft", 1 Vortrag;
„Volksernährung und Volkswirtschaft während des Krieges", 1 Vortrag;
„Kriegsfürsorge", 1 Vortrag;
„Wohnungs- und Heimstättenwesen", 2 Vorträge.

Für den diesjährigen Sekretärkursus, der Anfang August 1916 stattfinden soll, sind bisher folgende Themen vorgesehen: „Der lebendige Gott und das ewige Leben", „Jesus und der Krieg", „Deutschtum und Christentum", „Kriegsziele", „Mammonismus und Sozialismus", „Unsere Aufgaben im Blick auf die Kriegsarbeit deutscher Frauen", „Die Aufgaben der neuen Zeit".

Aber auch an andere, bisher von der sozialen Gedankenwelt — theoretisch wie praktisch — weniger erfaßte

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Kreise trat die Evangelisch-soziale Schule heran.

Ein Gemeindehelfer-Kursus, zu dem auch die Sekretäre der Evangelischen Jünglingsvereine und der Christlichen Vereine junger Männer eingeladen waren, wurde kurz vor Ausbruch des Krieges veranstaltet.

Es kam hier darauf an, zunächst einmal den Teilnehmern Einblicke in einige im Vordergrund des Lebens stehende soziale Fragen zu verschaffen. Die Teilnehmerzahl betrug 18.

Auf diesem Kursus, der nur 3 Tage dauerte, wurden Vorträge gehalten über:
„Christentum und Sozialdemokratie", 3 Vorträge;
„Die Reichsversicherungsordnung", 3 Vorträge;
„Die sozialdemokratische Jugendbewegung und was lehrt sie uns", 2 Vorträge;
„Die Deutsche Volksversicherung A.-G.", 1 Vortrag;
„Die evangelischen Arbeitervereine und ihre Bedeutung", 1 Vortrag;
„DieAlkoholfrage", 1 Vortrag;
„Das Wesen und Wollen der christlich-nationalen Arbeiterbewegung", 1 Vortrag;
„Die Arbeit an Sozialdemokraten", 1 Vortrag;
„Die Austrittsbewegung", 1 Vortrag.

Anschließend an den Gemeinde- und Jugendpflegerkursus war ein Kursus für Frauen und Arbeiterinnen in Vorbereitung, der aber infolge des Krieges nicht zur Ausführung kam.

Aus den Kreisen des evangelischen Buchhandels kamen Wünsche zur Veranstaltung eines sozialen Kursus für Angestellte des Buchhandels. Auch dieser Kursus kam infolge des Kriegsausbruches nicht zur Ausführung.

Recht erfolgreich konnte die Evangelisch-soziale Schule bereits an der akademischen Jugend vor Ausbruch des Krieges arbeiten.

Der erste soziale Studenten-Kursus fand statt vom 18. bis 22. Oktober 1913. Es nahmen an dem selben 87 Studenten und 5 Studentinnen teil, sowie 16 Hospitanten. Der Kursus gliederte sich in vier Vortragsreihen und zwar:

1.Drei Vorträge über: „Die sozialen Motive des alten und des neuen Testamentes".

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2. „Die soziale Frage das Problem der Völkergeschichte", 1 Vortrag;
„Die soziale Frage, das kulturelle Problem der Gegenwart", 1 Vortrag;
„Gibt es eine Lösung der sozialen Frage?", 1 Vortrag.

3. Zwei Vorträge über: „Die deutsche Arbeiterbewegung",
„Die soziale Arbeit der evangelischen Studentenschaft", 1 Vortrag;
„Die soziale Arbeit der katholischen Studentenschaft", 1 Vortrag;
„Die innere Mission", 1 Vortrag.

Der Kursus wirkte auf die Teilnehmer wie eine Offenbarung. Freudige, dankbare, einhellige Zustimmung kam zum Schluß zu lebhaftem Ausdruck.

Der zweite soziale Studenten-Kursus fand vom 14. bis 18. April 1914 statt. Auch er war, trotz des ungünstigen Zeitpunktes gleich vor Beginn des Semesters, stark besucht. Über 80 Teilnehmer und 11 Hospitanten nahmen daran teil. Es wurde verhandelt über:

„Das Reich Gottes und die sozialen Fragen" in 3 Vorträgen;
„Die Geschichte der Sozialpolitik" in 3 Vorträgen; Arbeiterpsychologie" in 2 Vorträgen;
„Die sittliche Haltung der führenden Stände in ihrer Bedeutung für das Volksleben", 1 Vortrag;
„Wohnungsnot, eine sittliche, religiöse, kulturelle und nationale Gefahr", 1 Vortrag;
„Die Arbeiterunterrichtskurse", 1 Vortrag;
„Die Deutsche Volksversicherung A.-G.", 1 Vortrag.

Auch diesmal war der zu beobachtende Erfolg ein durchschlagender.

Aus der Teilnehmerschaft heraus bildete sich eine sozial-studentische Abteilung in Angliederung an die Evangelisch-soziale Schule. Ein besonderes Komitee übernahm es, für die Aufgaben der sozialen Arbeit und die Ziele der Evangelisch-sozialen Schule unter der Studentenschaft auf den Universitäten zu wirken.

Insbesondere wurde auch der Wunsch laut, in den akademischen Ferien oder auch sonst sich sozial zu betätigen, bezw. mit dem werktätigen Volk direkte Fühlung und Ver-

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bindung zu erhalten. Die Evangelisch-soziale Schule suchte diesen Wünschen praktische Auswirkung zu geben. Sie vermittelte und organisierte für die akademischen Ferien praktisch-soziale Arbeitsgelegenheit für Studenten.

Das studentische Komitee konnte sehr bald folgende Aufstellung der Studentenschaft bekannt geben:

1 Stelle bei Reichstagsabgeordneten Herrn Vehrens in Essen: Büroarbeit, Einblick in die Gewerkschaftszentrale;

8 Stellen bei Arbeiter- und Gewerkschaftssekretären: Büroarbeit;

1 Stelle bei dem Verbandsleiter Herrn Gutsche in Elberfeld: Büroarbeit;

Stellen bei den Arbeiterunterrichtskursen in Breslau, Witten und Bochum (Zahl der Stellen noch unbestimmt): Unterricht der Arbeiter durch die Studenten in Elementarfächern (Deutsch, Rechnen, Geographie, Geschichte).

Bei diesen Stellungen muß der Student sich meist selbst einlogieren und beköstigen; jedoch sind auch Aus nahmen da. Bei den folgenden Stellen ist dies zumeist frei; bei Tätigkeit in den Bodelschwinghschen Anstalten wird außerdem noch der halbe Preis der Rückfahrt ersetzt.

20 Stellen in der Arbeit der Stadtmission zu Berlin: Hausbesuche in Krankheitsfällen, zu sozialen Feststellungen in der Armenpflege, in Sachen der Fürsorgeerziehung, in Sachen der Bekämpfung der Unzucht und des Trunkes, Verteilung von Schriften, Anlage von Statistiken usw.

In den Stadtmissionen von Dortmund 1 Stelle, Bielefeld 1 Stelle, Halle a. S. 3 Stellen (gegen eine Vergütung von 30 M pro Monat);

1 Stelle bei der Seemannsmission in Amsterdam (ab l. September): Sammlung von Seeleuten und Unterhaltung derselben;

Stellen im Soldatenheim zu Rastatt: Bedienung und Unterhaltung der Soldaten;

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50 bis 60 Stellen in den Bodelschwinghschen Anstalten, so in der Fürsorgeerziehung in der Senne und im Moor, den Bodelschwinghschen Zweiganstalten; in den Arbeiterkolonien in Freistatt bei Varrel, Hannover, in Wilhelmsdorf b. Bielefeld, Hoffnungstal b. Verlin (3 Stellen); Stellen in den Herbergen zur Heimat in den verschiedensten Orten, z. V. in Soest und Hattingen a. R. je 1 Stelle; Stellen in der Krankenpflege in Bethel b. Bielefeld und in den angeschlossenen Anstalten.

Diese praktisch außerordentlich bedeutsame sozial studentische Wirksamkeit ist noch stark erweiterungsfähig.

Auch obige „Soziale Ferienarbeit" konnte nur teilweise ausgeführt werden. Zunächst war diese Art sozialer Einführung unter der evangelischen akademischen Jugend noch recht neu, zweitens stellte sich auch hier zwischen Willen und Ausführung der Krieg.

Schon aber waren wieder die Einladungen zum dritten sozialen Studenten-Kursus ins Land gegangen und die eingehenden Zustimmungen und Anmeldungen bewiesen, daß die Teilnehmerzahl die dervorhergegangenen Kurse noch übertreffen würde — als die Mobilmachung auch hier die Arbeit zerriß. Das Programm umfaßte folgende Themen:

„Recht und Zwang zum Zusammenschluß", 3 Vorträge;
„Die gegenwärtige Kapitalkonzentration", 3 Vorträge;
„Landarbeit und Landarbeiter", 1 Vortrag;
„Bergbau und Bergarbeiter", 1 Vortrag;
„Metallarbeit und Metallarbeiter", 1 Vortrag;
„Textilarbeit und Textilarbeiter", 1 Vortrag;
„Heimarbeit und Heimarbeiter", 1 Vortrag;
„Staatsarbeit und Staatsarbeiter", 1 Vortrag;
„Ferienarbeit im Studienkränzchen", 1 Vortrag;
„Ferienarbeit in Arbeiterunterrichtskursen", 1 Vortrag;
„Ferienarbeit in der Jugendpflege", 1 Vortrag;
„Ferienarbeit in der Inneren Mission", 1 Vortrag;
„Ferienarbeit in der nationalen Arbeiterbewegung", 1 Vortrag;
Besichtigung landwirtschaftlicher und industrieller Betriebe.

In der Zwischenzeit wurden in der Zeit vom Januar

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bis März 1914 in neun westfälischen Orten Kurse für die Arbeiterbevölkerung abgehalten, die zeitweise eine überaus starke Teilnehmerzahl (von 34 bis 118 Personen), insgesamt von über MV Personen aufwiesen.

Das Programm war in allen Orten gleich. Es umfaßte:

„Grundbegriffe der Volkswirtschaftslehre", 2 Vorträge;
„Entwicklung der Volkswirtschaft", 1 Vortrag:
„Preußische und deutsche Verfassung", 1 Vortrag;
„Zölle und Freihandel", 1 Vortrag;
„Geschichte der deutschen Sozialdemokratie", 1 Vortrag;
„Das Koalitionsrecht", 1 Vortrag;
„Christliche und materialistische Weltanschauung", 1 Vortrag;
„Die Grundsätze der Arbeiterorganisationen", 1 Vortrag;
„Die konfessionellen Vereine", 1 Vortrag.

Diese Kurse haben offensichtlich dazu beigetragen, in den betreffenden Orten die Anteilnahme der Arbeiterschaft für ihre Lebensfragen zu heben, sowie die Bildungsarbeit der verschiedenen Organisationen kräftig zu beleben.

Über die behandelten Themata werden von der Evangelisch-sozialen Schule Leitsätze vorrätig gehalten und auf Bestellung in beliebiger Zahl versandt.

Am schmerzlichsten traf unsere Schule als Folge des Weltbrandes der Umstand, daß der auf das beste vorbereitete große Volkswirtschaftliche Arbeiterausbildungs-Kursus, der vom 9. August 1914 bis 5. September dauern sollte und zu dem 58 Teilnehmer aus allen Gegenden und den verschiedensten Vereinigungen und Verbänden Deutschlands angemeldet waren, gleich falls unterbleiben mußte. Wir lassen die Hauptthemen der Vorträge folgen:

„Die Geistesbildung des Lohnarbeiterstandes, 3 Std.;
„Imperialismus", 2 1/2 Std.;
„Die Volkswirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart", 12 Std.;
„Die Organisation des Arbeitgebertums in Industrie, Handel, Gewerbe, Handwerk und Landwirtschaft unter Berücksichtigung ihres Verhältnisses zur modernen Organisation der Arbeitnehmer", 4 Std.;

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„Modernes Wirtschaftsleben und moderne Arbeiterbewegung", 2 1/2 Std.;
„Die Sozialdemokratie", 10 Std.;
„Die sozialdemokratischen Gewerkschaften", 3 Std.;
„Die Hirsch - Dunckerschen Gewerkvereine", 2 1/2 Std.;
„Die konfessionellen Standesvereine", 6 Std.;
„Die christlichen Gewerkschaften", 6 Std.;
„Staatsangestellte und Staatsarbeiterbewegung", 2 1/2 Std.;
„Die wirtschaftsfriedlichen (gelben) Arbeitervereinigungen", 2 1/2 Std.;
„Konfessionelle Jugendpflege", 3 Std.;
„Staatliche Jugendpflege", 2 Std.;
„Pflege der praktischen Gemeinschaftsarbeit zwischen konfessionellen und Berufsorgani sationen", 3 Std.;
„Die Privatangestellten-Bewegung", 2 Std.;
„Die Arbeiterinnenfrage und die Agitation unter den Arbeiterinnen", 3 Std.;
„Die Landarbeiterbewegung", 2 Std.;
„Die Verfassung des Reiches und der Bundesstaaten", 3 Std.;
„Steuerwesen", 2 Std.;
„Das Recht des gewerblichen Arbeitsvertrages", 5 Std.;
„Das Recht der Koalition und des Arbeiterschutzes", 3 Std.;
„Die Gerichtsbarkeit in Arbeiterrechtsstreitigkeiten", 2 Std.;
„Das Staatsarbeiterrecht", 3 Std.;
„Die Alkoholfrage",2 Std.;
„Die Reichsversicherungsordnung, Versicherungsträger und Behörden bei besonderer Berücksichtigung der Pensionskassen in Staatsbetrieben", 3 Std.;
„Die Reichsversicherungsordnung, Verfahren", 3 Std.;
„Knappschaftswesen", 2 Std.;
„Rechtsschutz", 2 Std.;
„Wohnungsreform", 5 Std.;
„Die Frage der Lohnverwendung", 3 Std.;
„Deutsche Volksversicherung A.-E. und Volksfürsorge A.-E.", 2 Std.;
„Heer, Flotte und Arbeiterschaft", 3 Std.;
„Schriftlicher Verkehr mit Behörden und Arbeiterorganisationen", 2 Std.;
„Unsere Kolonien und ihre Verfassung", 3 Std.;
„Bedienung der Arbeiter- und Lokalpresse", 2 Std.;
„Wesen des Vertrauensmännerapparates"; „Geschäftsverkehr mit den Zentralstellen", 3 Std.; „Rechnungswesen", 2 Std.;
„Agitationsmethoden, Versammlungen, Betriebs- und Hausagitation", 3 Std.

Ausführliche Programme stehen noch jetzt auf Wunsch zur Verfügung.

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Ferner waren in Vorbereitung für das Winterhalbjahr 1914/15 ein zweiter Kursus für Gemeindehelfer und Jugendpfleger, ferner ein sozialer Kursus für Volksschullehrer, sowie ein Kursus für Schriftleiter von Arbeiterblättern.

Auch aus anderen Landesteilen trat man an die Evangelisch-soziale Schule heran um Hilfe zur Einrichtung und Abhaltung von Ausbildungskursen. So aus Hamburg, Königsberg, Gnadau u. a. Fast stets stellte der Krieg der Ausführung unüberwindliche Hindernisse entgegen, so daß die Abhaltung auf die Friedenszeit verschoben werden mußte.

Soll das Kursuswesen dauernd mit den Erfordernissen der Zeit Schritt halten, so muß natürlich auf der Geschäftsstelle eine Fülle innerer Arbeit geleistet werden.

Die Sachregistratur über alle Gebiete des öffentlichen und staatlichen Lebens umfaßt heute bereits über 400 Mappen, die dauernd ergänzt und vervollkommnet werden.

Die Bibliothek der Schule, die sich hauptsächlich aus Zuwendungen und Schenkungen von unserem Vorsitzenden Pfarrer v. Weber, vom Abgeordneten Behrens und anderen Arbeitersekretären zusammensetzt, umfaßt gegenwärtig über 300 Nummern. Auch der Gewerkverein christlicher Bergarbeiter wandte uns wertvolle Literatur zu.

Die Beamtenvermittlung, die sich naturgemäß im Anschluß an die Ausbildung für die Schule ergibt, ist bereits in 23 Fällen in Anspruch genommen. Nicht immer waren wir in der Lage, geeignete Beamten oder geeignete Stellen nachzuweisen, jedoch haben wir in vielen Fällen wertvolle Dienste leisten dürfen.

Bei der Beamtenvermittlung zeigt sich die brennende Not an geeigneten, vorgebildeten Persönlichkeiten, und zwar nach allen Seiten, sowohl für die Leitung von Arbeitersekretariaten wie für die Verwaltung von Volksbüros und Rechtsauskunftsstellen, ist an evangelischen Männern und Frauen, die dafür in Frage kommen, ein außerordentlich großer Mangel.

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Dasselbe Bild zeigt sich, wenn es sich um Besetzung von gewerkschaftlichen Sekretariaten, um Genossenschafts - und Arbeitsnachweisstellen oder um Krankenkassenbeamte handelt.

Bitter ernst ist für die evangelischen Verbände die Notwendigkeit der Heranbildung und Ausbildung evangelisch-sozial geschulter Männer und Frauen, die in die Arbeit eintreten können.

Wenn man diese Verhältnisse berücksichtigt, so liegt darin ein wichtiger Grund, daß im Gegensatz zu Organisationen anderer Geistesrichtungen die Werbung für die Bestrebungen unserer Vereinigungen, sowie ihre Anerkennung nicht überall die verdiente und gewünschte Aufnahme finden. Es fehlt der geistige Leiter der Bezirke und größeren Gruppen, welcher Mangel dann in betrübender Weise in gleichbleibender oder zurückgehender Mitgliederzahl und unfruchtbarem Versammlungsleben zum Ausdruck kommt. Es fehlen allzu oft den Vorsitzenden und Vertrauensmännern die Anregungen, zum Teil auch die Kenntnisse, oder infolge beruflicher Inanspruchnahme die Möglichkeit, um Agitation und Vereinsarbeit persönlich fruchtbringend zu gestalten. Den Verbands- oder Bezirksvorsitzenden ist eine persönliche Beeinflussung in den einzelnen Orten nur selten und ausnahmsweise möglich. Die Evangelisch-soziale Schule will und kann helfen; möchten ihr doch die Mittel in ausreichendem Maße zufließen, zum Segen des Ganzen!

Aus dem inneren Tätigkeitsgebiet der Evangelisch-sozialen Schule sei folgendes mitgeteilt!

Der Krieg hat nicht nur die Arbeit der Schule zum Teil unterbunden, sondern auch manche Arbeit der Evangelisch-sozialen Schule veranlaßt. Eine große Zahl von Sekretären wurde nach und nach unter die Waffen berufen und viele wichtige Ämter verwaisten. Ersatz war nur in den seltensten Fällen zu beschaffen. In einigen ernsten Fällen übernahm der Geschäftsführer (auch die materielle Lage der Schule trug dazu bei) nebenamtlich die Redaktion einiger Arbeiter und Angestellten-Organe, sowie die Aufsicht über einige größere Agitationsbe-

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zirke. Besonderer Wert wurde auch darauf gelegt, soweit wie möglich durch die Presse und durch Versammlungen den verderblichen inneren Erscheinungen des Krieges, dem Kriegswucher, besonders auf dem Lebensmittelmarkt, entgegenzuwirken.

Eine Folgeerscheinung des Krieges war die außerordentliche starke Benutzung der Evangelisch-sozialen Schule zur Auskunftserteilung. Diese erfolgte nach zwei Seiten hin. Über zahlreiche Fragen, die mit dem inneren oder äußeren Leben des Staates, der Wirtschaft oder der Gesellschaft, der Kultur usw. zu tun hatten, oder auch durch den Krieg in den Vordergrund getreten waren, wurde Auskunft erteilt.

Material zu Vorträgen wurde im Gegensatz zur Friedenszeit nur in vier Fällen verlangt und gegeben.

Etwa 80 evangelische Sekretäre aus Arbeitervereinen und Gewerkschaften stehen im Felde. Seitens der Evangelisch-sozialen Schule ist nach Möglichkeit die Verbindung mit denselben gepflegt. Wir sind uns bewußt, daß noch mehr hätte geschehen müssen, aber an den verfügbaren Mitteln und der Kraft fand unser Wollen seine Grenze.

Soweit uns bekannt, sind etwa 18 bis 20 Sekretäre verwundet, das Eiserne Kreuz erhielten 9. Beförderungen sind uns 25 bis 30 gemeldet worden. Den Heldentod starben 5 Sekretäre. Verwundet in Gefangenschaft gerieten 2 Beamte.

Wir konnten, wiederholt durch Gaben unterstützt, dem einen oder anderen Teil der Sekretäre kleine Gaben ins Feld senden. Unser Vorsitzender D. Weber setzte uns in den Stand, Literatur ins Feld zu senden. Auch Abgeordneter Wallbaum übermittelte uns für diesen Zweck eine größere Anzahl wertvoller Schriften. Vom evangel. Arbeiterinnenverein in Wernigerode wurden uns 10 Paar Strümpfe, die von den Mitgliedern angefertigt waren, für Sekretäre im Felde übersandt. Viele Sekretäre in der Heimat unterstützten uns für diesen Zweck mit Geldbeiträgen.

Eine mehr lokale Not des Minden-Ravensberger Landes trat im Laufe des Krieges immer

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dringender mit der Bitte um Abhilfe an die Evangelisch-soziale Schule heran: die Rechtsauskunftserteilung für das Volk.

Sie nahm, nachdem der Vorstand den Geschäftsführer mit ihrer Wahrnehmung beauftragt hatte, bald solchen Umfang an, daß eine besondere Hilfskraft diese Arbeit gegen eine kleine Entschädigung übernehmen mußte, wenn nicht die eigentlichen Arbeiten der Schule darunter leiden sollten. Die Mittel dafür wurden besonders aufgebracht.

Diese Rechtsauskunftsstelle wurde im letzten Monat April 1916 bereits von 198 Personen gegen 8 im November 1915 in Anspruch genommen. Gegenwärtig sind unter Leitung des Leiters der Evangelisch-sozialen Schule Pastor Jaeger aussichtsvolle Arbeiten im Gange, um eine Zentralauskunftsstelle für Minden-Ravensberg als selbständige Einrichtung zu schaffen.

Ein besonderes Kapitel bildet noch die Rednervermittlung. Sie wurde während des Krieges nicht so häufig in Anspruch genommen, wie im Frieden (17 gegen 26). In dieser Sache möchten wir die Bitte aussprechen, daß Wünsche um geeignete Redner uns so frühzeitig wie möglich übermittelt werden.

In den meisten Fällen kam das Verlangen, einen Redner zu stellen, 24 bis 48 Stunden vor dem Termin, häufig telegraphisch. Dieses Verfahren schadet einerseits der Sache, wie es anderseits für den Redner eine undankbare und schwierige Aufgabe ist, so plötzlich vor die Öffentlichkeit treten zu sollen.

Wir helfen, wenn irgend möglich, gewiß auch in vorkommenden Fällen gerne aus der Not. Die Regel aber soll und muß sein, der Schule Zeit zu lassen, den geeigneten Redner zu gewinnen, wie auch dem Redner Zeit zu gewähren, sich gründlich für die Aufgabe vorzubereiten. Diese Bitte sollte nicht nur, soweit die Schule in Frage kommt, Beachtung finden, sondern ist notwendig überall, wo Redner gebraucht werden.

Ganz besonderen Dank ist unsere Evangelisch-soziale Schule dem großen Kreis der Dozenten schuldig, die in der bisherigen Kursusarbeit ihre Kraft und ihr Wissen fast ausnahmslos ohne Entgelt in den Dienst

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der evangelisch-sozialen Bildungsarbeit stellten. Den Hauptteil der Arbeit leisteten in großer Freudigkeit und bei steigender, dankbarer Anerkennung der Hörer die Herren Dozenten der Theologischen Schule zu Bethel, deren Leiter, Pastor Jaeger, auch als wissenschaftlicher Leiter die Durchführung des Kursuswesens und der sonstigen Geschäfte bisher ehrenamtlich wahrnimmt. Im ganzen haben auf den bisherigen Kursen 63 Dozenten als Vortragende gewirkt. 28 Redner gehörten dem Arbeitersekretärberufe an, 35 Redner den freien Berufen, darunter Professoren verschiedener Universitäten und Fakultäten, Oberlehrer, Pfarrer, Ärzte, Volkswirtschaftslehrer, Arbeitgeber, Beamte staatlicher, industrieller und gewerblicher Verbände.

Der Krieg zwang uns auch aus Sparsamkeitsgründen, das für unsere Zwecke sehr geeignete, von uns gemietete Studienhaus wieder abzugeben. Wir mieteten für die Geschäftsstelle zwei Zimmer im Bürohaus des christlich nationalen Vereins e. V. zu Bielefeld, Gütersloherstr. 45.

Als Kursusraum dürfen wir bis zur Wiederkehr erfreulicherer Verhältnisse den Hörsaal der Theologischen Schule zu Bethel benutzen.

Von der Geschäftsstelle gingen im letzten Jahre über 400 Briefe, Postkarten, Telegramme usw. hinaus. Dazu mehrere tausend Drucksachen. Der Geschäftsführer nahm im letzten Jahre an 56 Sitzungen und Konferenen und 27 Versammlungen teil und hielt in 21 Versammlungen Vorträge.

Die Kassenführung liegt seit Begründung der Evangelisch-sozialen Schule in den bewährten Händen unseres Schatzmeisters Missionar Ostermeyer und wird ehrenamtlich verwaltet.

Dem Vorstande gehören zur Zeit an:
Ehrenvorsitzender: Ehrendomherr Staatsminister Dr. D.
Graf von Posadowsky-Wehner, M. d. R. und d. P. H.-H.;
Vorsitzender: Pfarrer L. Weber, D. theol.;
Geschäftsführender Vorsitzender: F. Behrens, M. d. R.;
Stellvertreter: Generalsekretär W. Wallbaum, M. d. A.;
Schatzmeister: Missionar Ostermeyer;

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Schriftführer und Leiter: Pastor S. Jaeger;
Beisitzende:
F. Baltrusch, Sekretär des Gesamtverbandes christlicher Gewerkschaften in Köln;
F. v. Bodelschwingh, Pastor;
W. Gutsche, Verbandsleiter des Zentralverbandes deutscher Eisenbahner;
E. Hartwig, Geschäftsführer.
O. Knebel, Generalsekretär der Deutschen Volksversicherung A.-G.;
R. Martin, Generalsekretär des Rheinisch - Westfäl. Verbandes evangelischer Arbeiter-Vereine;
Vowinckel, Pastor;

Dem Verwaltungsrat der Evangelisch-sozialen Schule gehören an:
Margarete Behm, Hauptvorsitzende des Gewerkvereins der Heimarbeiterinnen, Berlin;
E. Blankenagel, Bezirksleiter des christl. Textilarbeiter-Verbandes, Barmen;
F. Butscher, Bezirksleiter des Zentralverbandes der Forst-, Land- und Weinbergsarbeiter Deutschlands, Erfurt;
Drechsler, Pastor, Vorsitzender des Verbandes evangelischer Arbeitervereine im Königreich Sachsen, Dresden;
H. Engelkes, Lehrer, Vorsitzender des Provinzialverbandes evangelischer Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine der Provinz Hannover und angrenzenden Landesteile, Norden;
Frl. v. Feldmann, Hauptvorsitzende des Verbandes evangelischer Arbeiterinnenvereine, Barsinghausen;
Liz. Franke, Pfarrer, Vorsitzender des kurhessischen Verbandes evangelischer Arbeitervereine, Kassel;
Gräve, Pastor, Minden;
Grünweller, Hauptlehrer (Generalsekretär), Mühlheim;
G. Hartmann, Bezirksleiter des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter, Dresden;
Heienbrok, Missionar, Bethel;
E. Hildebrandt, Sekretär des Zentralverbandes christlicher Bauarbeiter, Berlin;

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Koch, Pastor, Vorsitzender des Verbandes christlich patriotischer Arbeitervereine in
Minden-Ravensberg, Holtrup-Hausberge;
E. Körzel, Kaufmann, Stellvertretender Vorsitzender des rheinisch-westfälischen Verbandes evangelischer Arbeitervereine, Essen;
Kraa, Bürovorsteher, Bethel;
Dr. G. Kropatschek, Generalsekretär, Dresden;
Kuhlo, Pastor, Bethel;
K. Meyer, Sekretär des christlichen Landarbeiterverbandes, beim Militär;
Niemeyer, Pastor, Vorsitzender des rheinisch-westfälischen Verbandes evangelischer Arbeitervereine, Eichlinghofen;
A. Oberbossel, Geschäftsführer des christlichen Landarbeiterverbandes, Bielefeld;
D. Philipps, Pastor, Berlin-Charlottenburg;
E. Sauer, Generalsekretär des Mitteld. Verbandes evangelischer Arbeitervereine, Eilenburg;
K. Schlabach, Bezirksleiter des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter, Dortmund;
Schmidt jun., Ingenieur, Wernigerode;
H. Stuhrmann, Pastor, Direktor des deutschen evangelischen Volksbundes, Godesberg, Rh.;
G. Veer, Bundessekretär des Bundes vom blauen Kreuz, Weitmar-Bochum;
L. K. Vietor, Großkaufmann, Bremen;
Dr. A. Wagner, Professor, Wirkl. Geh. Rat, Berlin;
W. Wehmeyer, Bezirksleiter des christlichen Tabakarbeiter-Verbandes, Herford;
Graf von Westarp, Oberverwaltungsgerichtsrat, M. d. R., Berlin.

Mit trauerndem, aber ehrendem Gedächtnis teilen wir den Heimgang folgender Mitglieder des Verwaltungsrates bezw. der Evangelisch-sozialen Schule mit:

Es wurde heimgerufen das Mitglied unseres Verwaltungsrates D. Dr. Graf Hohental-Dölkau, Wirkl. Geh. Rat, M. d. Pr. H.-H., Mitglied der Generalsynode, Vorsitzender der Pos. Union.

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Den Heldentod starben die Mitglieder unseres Verwaltungsrates!
F. Jakowsky, Sekretär des Provinzialverbandes evangelischer Arbeiter- und Arbeiterinnenvereins der Provinz Hannover und umgrenzenden Landesteile;
Unteroffizier H. Spiekerkötter, Sekretär des christlichen Bauarbeiter-Verbandes.

Ferner die Mitglieder:
K. Luodwin, Redakteur der „Solidarität", Organ des Zentralverbandes christlicher Nahrungsmittelarbeiter;
Heinrich Griese, Bezirksleiter des Zentralverbandes christlicher Tabakarbeiter Deutschlands;
H. Riekmeyer, Bezirkssekretär des Provinzialverbandes evangelischer Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine für die Provinz Hannover und umgrenzenden Landesteile.
Aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden ist Herr Porzellanmaler Raab, Hamburg.

So legen wir diesen Bericht in die Hände unserer Freunde. Möge der Herr Herzen und Hände willig machen, die Evangelisch-soziale Schule zu einer Rüstkammer zu gestalten, aus welcher Aufklärungswaffen zum Ausbau und zur Verteidigung des evangelisch-christlichen Geisteslebens und zur Niederhaltung volkszersetzender Kräfte hinausgetragen werden.

Beiträge und Gaben bitten wir freundlichst einzusenden an: Evangelisch-soziale Schule, e. V., Postscheckamt Hannover Nr. S72V.

Das walte Gott!



Herausgegeben und zu beziehen durch die Geschäftsstelle der Evangelisch-sozialen Schule (e. V.), Bielefeld, Gütersloher Straße 45, Fernruf 2478. Postscheckkonto Hannover 5720.


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Erstellt am 03.03.2019 - Letzte Änderung am 05.03.2019.