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Richard Müller-Freienfels
PHILOSOPHIE DER INDIVIDUALITÄT
Anmerkungen

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Anmerkungen

Zur Einleitung

3. Die „Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung” sind in scharfsinniger Weise erörtert von Rickert in seinem gleichnamigen Werke. So wenig ich sonst mit diesem Denker übereinstimme, so ist doch sein Verdienst für das philosophische Interesse am Individuellen hervorzuheben.

In der Kritik der rationalen Logik stimme ich weitgehend mit F. C. S. Schiller (Formal Logic, 1912) überein. Seine Stellungnahme zum Individuellen bes., S. 47 ff., vgl. auch Humanismus, deutsch von R. Eisler, 1911.

Den Satz über die Inadäquatheit der Naturgesetze an die Wirklichkeit entnehme ich dem Mathematiker H. Poincare.

Wertvolle Ausführungen über irrationale Zahlen bei Vaihinger: Philos. des Als-Ob, 1911. - Über die Irrationalität der Begriffe verweise ich auf F. Mauthner: Kritik der Sprache, 2. Aufl., und Wörterbuch der Philosophie. Mein eigner - hier nur kurz umrissener - erkenntnistheoretischer Standpunkt ist genauer begründet in meiner Abhandlung „Rationales und irrationales Erkennen” in Annalen der Philosophie, hrsg. von Vaihinger u. Raym. Schmidt. Bd. II, S.i ff. Vgl. ferner dazu Heinr. Gomperz: Weltanschauungslehre, Bd. II, 1906.

Über die Grenzen der rationalen Erkenntnis vgl. bes. Bergson: Matiere et Memoire u. „L'Evolution Creatrice”. Ferner W.James: Pluralistic Universe, 1909. Bes. Lect. VI. - Meine Abweichungen von diesen Denkern werden später hervortreten.

Zum ersten Teil
Kapitel I

§ 1. Die Zusammengehörigkeit von Ich und Nichtich, wenn auch in wesentlich anderem Sinne gefaßt als hier, ist betont von Richard Avenarius: „Kritik der reinen Erfahrung” und E. Mach: „Ana[262]lyse der Empfindungen” und „Erkenntnis und Irrtum”, die allerdings daraufhin das Ich als selbständige Wesenheit bestreiten. Bei Hegel u. a., die den logischen Zusammenhang von Ich und Nichtich hervorheben, handelt es sich meist um das „allgemeine Ich.”

G. Kafka (Versuch einer kritischen Darstellung der Anschauungen über das Ichproblem, 1910) bringt eine wertvolle kritische Übersicht der neueren Theorien. Er unterscheidet in klarer Weise den metaphysischen, den empiristischen, den erkenntnistheoretischen Standpunkt der Icherforschung.

§ 2. Die Siebenzahl ist nicht etwa zahlenmystischer Spielerei zuliebe gewählt, sondern hat sich bei der Analyse ganz natürlich ergeben. Daß das Ich sich unter verschiedenen Aspekten verschieden darstellt, ist auch sonst bemerkt worden. Die eingehendste Analyse, die mir bekannt geworden ist. die jedoch auch nicht erschöpfend ist, finde ich bei W. James: Principles of Psychology: Bd. I, Kap. X. James unterscheidet vier „Constituents”: The material Self; the social Self; the spiritual Self; the pure Ego. - Auch Th. Lipps hat das Ichproblem wiederholt beleuchtet und mehrere Iche unterschieden, außer dem Bewußtseinsich „mannigfache sekundäre Iche”, darunter den Leib, die Seele. Vgl. Th. Lipps: Vom Fühlen, Wollen, Denken, 2. Aufl., und Leitfaden der Psychologie, 3. Aufl., 1909, S. 1ff. Das Ich und die Gefühle. Psychol. Untersuchungen, I.

§ 3. Gute Analysen des unmittelbaren Selbstbewußtseins bei James, a. a. O., Bd. I, Kap. IX. - Gründliche Erörterungen dessen, was zum Ich zu rechnen sei, was nicht, bei K. Oesterreich: Phänomenologie des Ich, 1911. Daß das Gefühl resp. das Wollen spezifisch „ichhaft” sei, wird von vielen neueren Psychologen, darunter Wundt, Brentano, Dilthey, Maier (Psychologie des emotionalen Denkens, 1908) Ziegler, dargelegt. Die emotionalistische Richtung der Auffassung des Ichbewußtseins steht für mich nicht im Widerspruch mit der voluntaristischen. Wie ich später im Text ausführlich darlege, sehe ich im Willenserlebnis keinen Gegensatz zum Gefühl. Ich möchte jedoch schon hier betonen, daß ich den Begriff Gefühl nicht bloß auf Lust - Unlust einenge, sondern jedes subjektive nicht sensorische oder auf sensorische Erlebnisse zurückführbare seelische Erlebnis (ähnlich wie die Sprache des Alltags) dazu rechne.

Ablehnen muß ich die sensualistische Ichtheorie, die in gewissen Empfindungen das Wesen des Icherlebnisses sehen will. So James (a. ä. O.), ferner Ziehen, Jodl u. a., die die Körperempfindungen haftbar machen. Wenn Wähle und andere auf [263] die Bewegungsempfindungen hinweisen, so möchte ich dem nicht widersprechen, sehe jedoch die motorischen Erlebnisse im Sinne der peripheren Gefühlstheorie lieber im Zusammenhang mit den Gefühlen und dem Willen als mit den Empfindungen.

§ 4. Daß der Leib das Ich ausmache, ist zunächst Lehre jedes Materialismus, Auch Mach nähert sich in seiner zwar humoristisch gemeinten Zeichnung des Ich (Analyse der Empfindungen, S. 15) einer solchen Anschauung, wenn er auch dem groben Materialismus nicht huldigt.

Neuerdings hat man vielfach zwar nicht den Leib selbst mit dem Ich gleichgesetzt, wohl aber den Organempfindungen, den Empfindungen aus dem Körperinnern, eine überragende Rolle für das Individualitätsbewußtsein zugeschrieben. So außer den oben erwähnten Seglas: Semiologie des affections mentales, in Ballets: Traite de pathologie mentale, 1913, 172f. Auch Ribot (Les Maladies de la personnalite) scheint sich dieser Auffassung zu nähern. Dagegen streitet Oesterreich, a. a. O. Vgl. auch Oesterreichs gehaltvollen Aufsatz: Die Entfremdung der Wahrnehmungswelt und die Depersonalisation in der Psychasthenie. Journ. für, Psych, u. Neurol. VII- IX. Vgl. auch J. Geyser: Lehrb. der allg. Psych., S. 105 f.

§ 5. Zum Begriff der „Fiktion”, der noch oft von uns gebraucht werden wird, verweise ich ein für allemal auf Vaihingers grundlegendes Werk: Die Philosophie des Als-Ob, 4. Aufl., 1919. Das Wort von der „Psychologie ohne Seele” ist wohl zunächst von Wundt geprägt, doch liegt diese Anschauung mehr oder weniger allen neueren Psychologien zugrunde, von denen nur ganz wenige die „substantielle Seele” verteidigen.

Zur Unterscheidung zwischen Funktion und Inhalt vgl. Müller-Freienfels: „Das Denken und die Phantasie, Psychol. Untersuchungen nebst Exkursen zur Psychopathologie, Ästhetik und Erkenntnistheorie”, 1916. Ferner A. Messer: Empfindung und Denken, 1908; ders.: Psychologie, 1915. Oesterreich: a. a. O. Stumpf: Erscheinungen und Funktionen, 1907. Lipps: Psych. Studien, 1905. Otto Schultze: Einige Hauptgesichtspunkte der Beschreibung in der Elementarpsychologie I. Arch. f. d. ges. Psychologie VIII. Husserl: Log. Untersuchungen 1900/01. Bühler: Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge, Arch. ges. Psych. IX. Tichener: Lectures on the exp. Psych, of Thought Processes.

Zur differentiellen Psychologie und ihrer Typenlehre vor allem : Will. Stern: Die differentielle Psychologie in ihren methodischen Grundlagen, 191 1. (Mit reicher Literatur.) Klages: Prinzipien [264] der Charakterologie. 1910. Patridge: An outline of individual study, 1910. F. Giese: Das Ich ab Komplex in der Psychologie in Psych. Beitr.. I. 1916. R. Müller-Freienfels: Persönlichkeit und Weltanschauung, 1919.

§ 6. Mit der Anschauung, daß alle seelischen Inhalte individuell gefärbt seien, trete ich in Gegensalz zu jeder Art Logismus, die einen idealen Grenzfall für eine Realität, wenn auch eine solche besonderer Art nimmt. Ich gedenke hier nicht, gegen den Logismus zu polemisieren. Ich hoffe, später darzutun. daß alle rationalen Begriffe, soweit sie nicht rein ideelle Konstruktionen sind, sondern Wirklichkeit erschließen wollen, anpassungsfähig und wandelbar sein müssen. Es kann gewiß reizvoll sein, eine rein ideelle Begriffsarchitektur auszuführen; Erkenntnis in dem Sinne, wie ich sie fasse, als Erschließung einer Realität, ist sie nicht.

Interessant ist in diesem Zusammenhang Meumanns Bemerkung, daß Kinder das Possessivpronomen vor dem Personalpronomen brauchen. (Die Sprache des Kindes, Zürich 1903). Ich selber kann diese Beobachtung von meinen Kindern her auch bestätigen. Dazu Gheorgov: Die ersten Anfänge des sprachlichen Ausdrucks für das Selbstbewußtsein bei Kindern, 1905. Zum ganzen Problem Kafka, a. a. O. S. 238.

§ 7. Sehr wertvoll die Betrachtungen von Julius Schultz über das subjektive und das objektive Ichbild, (Was lernen wir aus einer Analyse der Paranoia für die Psychol. des normalen Denkens. Archiv f. ges. Psychologie, XXXI) Hier interessante Tatsachen aus der Pathologie. Vgl. auch des gleichen Autors: Psychologie der Axiome, 1899.

Die Fähigkeit des Menschen, sich selbst als ein anderes Wesen zu denken, macht zum Ausgangspunkt geistreicher Erörterungen z. B. Jules de Gaultier: Le Bovarisme, Paris 1902, das von Flauberts berühmtem Roman Mad. Bovary seinen Namen hat.

Zum Problem des Innenbildes überhaupt vgl. bes. Misch: Geschichte der Autobiographie, I, 1907. Methodisch wertvoll bes. auch Karl Groos: Bismarck im eignen Urteil, 1919.

§ 8. Hübsche Bemerkungen über das „Spiegelselbstbewußtsein” bei E. Voigtländer: Das Selbstgefühl, München 1910.

Das Motiv der vertauschten Ichrolle künstlerisch verwertet in Shakespeares Vorspiel zur „Gezähmten Widerspenstigen”, bei Holberg und Gerh. Hauptmann („Schluck und Jau”). Das Zitat über den Ruhm aus Heinrich Mann „Flaubert u. George Sand”. Das Wesen des Fürsten als Zwang zur Darstellung einer sozialen Rolle ist besonders fein in Th. Manns Roman „Königliche Hoheit” gezeichnet. In den Werken dieses Dichters übrigens [265] noch mannigfache verwandte Typen: Thomas Buddenbrook in dem Roman „Buddenbrooks” und anderes.

§ 9. Die Literatur darüber, wieweit Kunst als „Ausdruck”, wieweit sie als „Gestaltung” aufzufassen sei, findet man ausführlich in meiner „Psychologie der Kunst”. Bd. II. (Nur in der zweiten Auflage zu benutzen!)

Zur wissenschaftlichen Graphologie vgl. bes. die Schriften von Klages. Sehr interessant der Aufsatz von M. Waser-Krebs „Künstlerische Handschrift” in Raschers Jahrbuch I.

§ 10. Die Standpunkte des naiven Realismus, des Spiritualismus, des Assoziationismus (der hier etwa in der ihm von Mach gegebenen Form gekennzeichnet ist) sind für uns also nur relativ berechtigt. Man kann die Individualität wie die Welt) natürlich unter jedem dieser Gesichtswinkel ansehen, keiner davon aber eröffnet die ganze Wahrheit. Man vgl. dazu das erkenntnistheoretische Schlußkapitel meines Buches: „Persönlichkeit und Weltanschauimg”. Fehlerhaft wird jede dieser Betrachtungsweisen erst dann, wenn sie als absolut gesetzt wird.

§ 11. Die Lehre von der besonderen Individualität des Renaissancemenschen ist zuerst von Jak. Burkhardt ausführlich dargelegt worden (Kultur d. Renaissance, X. Aufl.,143ff.) und ist neuerdings fast zum Dogma geworden. Lamprecht hat darüber hinaus noch die Stadien des subjektiven und „reizsamen” Seelenlebens unterschieden, die aber ähnlich zu beurteilen sind wie die Renaissanceindividualität, als Wertungsgrade, nicht als Wesensverschiedenheiten. Gegen Burckhardt z.B. Eduard Meyer, Gesch. d. Altertums,I2, S. 171 ff.; ferner Dietr. Schäfer: Weltgeschichte der Neuzeit, I, S. 13, wo gerade die Rolle der Einzelpersönlichkeit im Mittelalter betont wird. Wertvolle Darlegungen bes. bei Breysig, Kulturgesch. d. Neuzeit, II, S. 820 u. passim.

Zum Individualitätsbegriff bei Nietzsche vgl. Marcuse: Die Individualität als Wert. Ben. Diss. 1917.

Individualisten im Gegensatz zum „Kollektivismus” sind die meisten schottischen, englischen und französischen Denker der Aufklärungszeit, auch Hume und Adam Smith. Vgl. dazu K. Pribram: Die Entstehung der individualistischen Sozialphilosophie.

Ferner H. Schmalenbach: Kantstudien XXIV.

Kapitel II
§ 2. Über religiöse Bekehrungen reiches Material bei Starbuck. Religionspsychologie. 2 Bde. 1910.

Über die „Konvergenz” innerer und äußerer Faktoren W. Stern, bes. „Die menschl. Persönlichkeit”.

[266]
§ 4. Das Zitat nach Lotze: Mikrokosmus, Bd. 1, S. 154.

§ 5. Daß auch die Seele wandelbar ist, ist ein Haupteinwand gegen alle „Psychogramme”, deren Gültigkeit, soweit sie experimentell an der lebenden Person gewonnen werden, durch die Wandelbarkeit der seelischen Struktur stark in Frage gestellt wird.

Über die Tatsache, daß jedes Erlebnis Dispositionen schafft, wertvolle Gedanken bei W. Stern: Die menschl. Persönlichkeit.

Die Einflüsse der Narkotika auf die Seele experimentell untersucht von Kräpelin und seiner Schule.

Die von Fließ, Swoboda und anderen behauptete Periodizität des seelischen Lebens besteht wohl ohne Zweifel, wenn ich auch die bisherigen Formulierungen noch für unzureichend halte; die Tatsache des Individualitätswandels wird durch sie natürlich auf keinen Fall beeinträchtigt. § 6. Vieles Hierhergehörige bei Offner: Das Gedächtnis.

§ 9. Die Wandlungen der Einschätzung des Shakespeareschen Werkes zeigt am besten F. Gundolf in seinem Buche „Shakespeare und der deutsche Geist”.

§ 10. Über Vaticinia post eventum in der Geschichte vgl. bes. Th. Lessing: Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen, 1918.

Kapitel III
§ 2. Über die Enge des Bewußtseins haben bes. James, Wundt und andere gesprochen. Eine interessante biologische Ableitung bei Petzoldt: Einführ. in die Philosophie der reinen Erfahrung, Bd. I.

§ 3. Vgl. bes. Roux: Der Kampf der Teile im Organismus, 1881, und Ges. Abhandl. über Enlwicklungsmechanik der Organismen, I. 1895. L. Krehl: Über die Störung chemischer Korrelationen im Organismus, 1907.

§ 5. Die psychoanalytischen Theorien, entwickelt bei Freud, Jung, Silberer und ihren zahlreichen Anhängern.

§ 6. Über die pathol. Spaltungen der Persönlichkeit. Vgl. Oesterreich: Phänomenologie des Ich, 1911, bes. S. 379ff.; ders.: Die Besessenheit, Deutsche Psychol., Jahrg. I; ders.: Das Selbstbewußtsein und seine Störungen, Ztschr. für Psychotherapie und med. Psychologie, II. Ribot: Les Maladies de la Personnalite. P. Janet: Les Obsessions et la psychasthenie, 1903. L. Löwenfeld: Die psych. Zwangserscheinungen, 1904. Ferner Warda: Zur Geschichte und Kritik der sog. psych. Zwangszustände, Arch. f. Psychologie, 39. A. Pick: Zur Pathologie des Selbstbewußtseins, Ztschr. f. Psychol., 50. M. Dessoir: Das Unterbewußtein, Geneve 1909.

[267]
Über die Begriffe des „Zuschauers” und „Mitspielers” im Kunstgenießen. Vgl. Müller-Freienfels: Psychologie der Kunst, Bd.I, 2. Aufl.

§ 8. Über Dramatisierungen im Traume. Vgl. Silberer: Über den Traum, 1919.

Über die Ichspaltung des Dichters ausführlicher Müller-Freienfels: Poetik, 2. Aufl., 1920. Daselbst reichliche Literaturangaben.

§ 9. Bezeichnend ist, daß die Realität des Ich am radikalsten bestritten wurde von dem Dichter Hermann Bahr in seiner impressionistischen Periode, der selbst in seiner Entwicklung besondere Wandlungsfähigkeit gezeigt hat. Über den Impressionismus und seine Stellung zum Ich vgl. R. Hamann: Der Impressionismus, 1907.

Kapitel IV
§ I. Über die Unzulänglichkeit der rationalen Logik in verwandtem Sinne vgl. bes. Bergson: Sur les Donnees immediates de la Conscience, 1888, und L'Evolution creatrice, 1905.

§ 2. Den Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt sucht völlig aufzuheben Rich. Avenarius, dem die Individualität nur eine irrtümliche „Introjektion” ist. Dies Verfahren geht zu weit und übersieht die bei aller Koordination zur Welt dennoch bestehende, wenn auch relative Selbständigkeit des Ich. Der Begriff des „Lebens” mit allen seinen Eigentümlichkeiten besteht für diese Philosophie nicht. Sie geht an allen diesen Problemen vorüber, ohne auch nur den Versuch einer Lösung zu unternehmen, in der dogmatischen Hoffnung, daß sich auch das Leben bald in mechanische Gesetze auflösen lassen werde. Ich komme später noch auf diese Dinge zurück. Vgl. bes. außer dem Hauptwerk Avenarius': Zur Terminalfunktion. Aus dem Nachl. 1913. Zum Begriff der Verwandlungen im Bewußtseinsstrom vgl. Joussain: Le cours de nos idees. Rev. phil., XXXV, S. 147 ff.

§ 3. Die Kontinuität des Keimplasmas, besonders gelehrt von Weismann. Über das Keimplasma hinaus wird eine Kontinuität von Hering, Semon und anderen angenommen, die eine Art überindividuelles Gedächtnis „Mneme” annehmen. Vgl. auch über die Grenzen des Indiväduums: Virchow, Vier Reden über Leben und Krankheiten. 1862.

§ 4. Das Überindividuelle der Geschlechtsliebe besonders von Schopenhauer vertreten, dessen dahingehörige, im zweiten Band der „Welt als Wille und Vorstellung” dargelegte Anschauungen noch heute wertvoll sind, mögen sie auch in Einzelheiten widerlegbar sein.

[268]
§ 5. Die Unmöglichkeit nicht nur objektiver, auch nur überindividueller geistiger Begriffe am radikalsten behauptet von Mauthner dessen Radikalismus ich an anderer Stelle (Annalen der Philosophie, II) wesentlich einzuschränken versucht habe. Die Überindividualität, die „Objektivität”, des Geistes bei Simmel: Grundprobl. d. Philosophie, der hierin Hegelschen Bahnen folgt. In anderer spekulativerer Weise vertritt Eucken eine Objektivität des Geistes.

§ 6. Die Zusammenhänge zwischen dem Selbstbewußtsein und den Kleidern sind köstlich dargelegt in Lotzes Mikrokosmus, II.

§ 9. Die „Stufen” der Individualisierung, die hier genannt werden, sind diejenigen, die Lamprecht in seiner deutschen Geschichte zugrunde legt, die zwar als zu stark schematisiert gelten müssen, dennoch auf bedeutsame Tatsachen hinweisen. Wertvolle Beiträge zum Zusammenhang der Individualität mit sozialen Verbänden bei Simmel: Soziologie, 1913, und „Über soziale Differenzierung”. 1902.

Zum zweiten Teil
Kapitel 1

§ 1. Das Individuationsprinzip, dem ich die Rationalisierung gegenüberstelle, war eines der Hauptprobleme der mittelalterlichen Scholastiker (Avicenna, Albertus, Thomas, Duns Scotus usw.). Indem ich den „Realismus” der Scholastiker ablehne, verschreibe ich mich keineswegs einem „Nominalismus”, zumal der Begriff Individualität bei mir etwas wesentlich anderes bedeutet als bei jenen Denkern.

§ 2. In den in diesem Kapitel vertretenen biologischen Anschauungen, die später genauer begründet werden, nähere ich mich dem Lamarekismus, speziell in seiner neuesten Form, dem Psycholamarckismus, worüber später zu sprechen sein wird. Vgl. bes. E. Becher: Naturphilosophie, 1914.

Über Bildung von Gewöhnungen, Nachahmungen etc. in dem hier gekennzeichneten Sinne, viel wertvolles Material bei K. Groos: „Spiele der Tiere” und „Spiele der Menschen”. Ferner Tarde: Les Lois de l'Imitation, 1895.

Daß das schöpferische Denken auf „Gedankenexperimente” zurückzuführen ist, wurde mannigfach von Nietzsche, Mach, Avenarius und anderen betont und ist systematisch durchgeführt in meinem Buche: Das Denken und die Phantasie (Kap. VII- X).


Kapitel II

§ 2. Vgl. Matzat: Philosophie der Anpassung, 1905.

Ferner A. L. Angersbach: Zum Begriff der Entwicklung, 1913.

[269]
§ 3. Der nichtstationäre Zustand des Gehirns, gut herausgearbeitet bei Petzoldt: Einf. in die Philosophie der reinen Erfährung., Bd. II, 1904.

§ 4. Zur Literatur über Vererbungslehre nenne ich: Johannsen: Elemente der exakten Erblichkeitslehre, 1909; vgl. auch Kultur der Gegenwart, UI, Abt. IV. O. Hertwig: Allgem. Biologie, 4. Aufl.. 1912. Weismann: Vorträge über Deszendenztheorie; ders.: äußere Einflüsse als Entwicklungsreize. Baur: Einf. in die experimentelle Vererbungslehre, 1914. A. Lang: Experimentelle Vererbungslehre, 1914. L. Plate: Vererbungslehre, 1913. Plate: Das Selektionsprinzip, 1913. De Vries: Arten und Varietäten in ihrer Entstehung durch Mutation. Rich. Semon: Die Mneme.

Über Familienforschung u. a. Robert Sommer: Familienforschung und Vererbungslehre, 1907. Georg Sommer: Geistige Veranlagung und Vererbung, 1919.


Kapitel V

§ 1. Für die Theorie, die aus Milieu, Vererbung usw. die Individualität erklären will; vgl. vor allem die Schriften Taines.

§ 2. Ausführl. Literatur über Psychographie, bes. bei W. Stern: Die differ. Methode. 1911.

§ 4. Das Zitat aus Strindberg im Vorwort zum Trauerspiel: „Frl. Julie”.


Zum dritten Teil
Kapitel I

§ I. Die Doppelheit zwischen Werterleben und Wertkonflikt, wenn auch in abweichender Form, ist auch sonst bereits behandelt. So von Windelband: Einf. in die Philosophie, 1914. W. Strich: Das Wertprobl. in der Phil. der Gegenwart, 1909.

§ 2. Als Beispiel für emotionale Werttheorie: Kreibig: Psych. Grundlegung eines Systems der Werttheorie, 1902. Meinong: Psych.-ethische Untersuchungen zur Werttheorie, 1894.

Auf das Begehren begründet die Wertlehre v. Ehrenfels: System der Werttheorie, 1894.

Als seelischen Vorgang sui generis faßt das Werten z. B. H. Schwarz: Glück und Sittlichkeit; Psychologie des Willens, 1901.

In der Auffassung des Willensvorgangs berühre ich mich vielfach mit W. James, Th. Lipps, Ribot und anderen. Auch bei ihnen z. T. bereits das Verständnis des Zusammenhangs zwischen Gefühl und Wille. Meine eigene weitergehende Ansicht ausführlicher begründet in meinen Abhandlungen in der Naturwissensch. Wochenschr., 1917, S. 629ff.

[270]
Die Einwände, die ich bekämpfe, sind erhoben von Windelband: Einf. in die Philosophie, S. 245 ff.

§ 3. Analyse der Gefühlsverschiebung, z. B. bei Höffding: Psychologie.


Kapitel II

§ 5. Zur Begriffsbestimmung des Typus, W. Stern: Die differ. Psychologie, 1911.

Als Beispiele der typisierenden Rationalisierung in der Kunstwissenschaft, z. B. Worringer: Stilprobleme der Gotik, 191 1; Scheffler: Geist der Gotik, 1915.

Für das Wirtschaftsleben arbeitet eine typische Subjektivität am glänzendsten heraus W. Sombart in zahlreichen Schriften, vgl. bes.: Der Bourgeois, 1913. Für Religionsphilosophie, Ethik usw. vgl. bes. Keyserling: Reisetagebuch eines Philosophen, 1919. Für die gesamte Kultur: Spengler: Der Untergang des Abendlandes, I, 1917.

§ 6. Die Absolutsetzung der Werte in Beziehung auf ein absolutes Subjekt in Anlehnung an Fichte und Hegel: Münsterberg: Philosophie der Werte; in anderer Form Bosanquet: Individuality and Value, 1907.

Eine gewisse Absolutheit des Sollens nimmt z. B. auch Simmel in seinen neueren Schriften an.


Kapitel III

1. Über den Unterschied zwischen Wertträger und Wertgegenstand auf ästhetischem Gebiet wertvolle Gedanken bei Utitz: Grundlegung der allgem. Kunstwissensch., I.


Kapitel IV

1. Zur Frage des Individualitätsstandpunktes in der Kunst vgl. bes. meine Psychologie der Kunst, 2. Aufl., 1921.

§ 1. Hierzu z. B. Tietze: Die Methode der Kunstgeschichte. 1914.

§ 3. Vgl. hierzu die Schriften von F. C. S. Schiller, F. Mauthner, H. Gomperz.

§ 4. Es kann nicht entschieden genug betont werden, daß Nietzsche, mag seine eigene Wertsetzung auch noch so anfechtbar sein, besonders in seinem letzten Werke, die tiefsten Blicke in das Wertleben getan hat. Vgl. besonders den noch lange nicht ausgeschöpften „Willen zur Macht”.


Kapitel VI

§ 2. Spencer: Principles of Ethics. Zur Ästhetik: F. Schiller: Briefe über ästhet. Erziehung. Spencer: Principles of Psychology, II. K. Groos: Spiele der Tiere, 1895, Spiele der Menschen, 1897.

[271]
Jerusalem: Der kritische Idealismus, 1903.

Zum Pragmatismus: Die grundlegenden Schriften v. James, Schiller, Dewey.

Der relig. Pragmatismus am besten bei James: Varieties of rel. Exp., 1902.

§ 5. Über den Begriff der Werthöhe vgl. z. B. Oesterreich: Die religiöse Erfahrung, 19x5.

Zum vierten Teil
Kapitel I

§ 1. Zur Kritik des Conscientialismus: Külpe: Die Realisierung, I: desgl. Frischeisen-Köhler: Wissenschaft und Wirklichkeit, 1910.

§ 3. Als Kategorie faßt die Individualität H. Driesch: „Philosophie des Organischen”, Bd. II, ein Werk, an dem keiner, der sich mit diesen Fragen beschäftigt, vorüber kann; ders. : zwei Vortr. über Naturphil. 1910.

§ 4. Ich halte mich bei der Charakteristik der einzelnen Kategorien, um möglichst typische Formen zu finden, an die sehr geschickten Formulierungen Eislers in seinen phil. Wörterbüchern.

§ 6. Als Energie charakterisiert das Leben W. Ostwald (z. B. Vorl. über Naturphilosophie, 1902).

§ 8. Als eine eigene von der Ratio abzutrennende Erkenntnisweise will Bergson die Erfassung des Lebens kennzeichnen („Evolution creatrice” und „Einführung in die Metaphysik”). Doch kann ich mich seiner Gleichsetzung von Lebenserkenntnis und Instinkt nicht anschließen.


Kapitel II

3. Der Ausdruck: „DasDritte” für eine Wesenheit, die sich in Physisches und Psychisches auseinanderlegt, gelegentlich bei R. Avenarius.

4. Über das Verhalten von Physischen und Psychischen vgl. bes. E. Becher: Gehirn und Seele. Auch die Schriften von Erdmann, Busse, Driesch u. a.

Ein glänzendes Plaidoyer für den Parallelismus: J. Schultz: Die Grundfiktionen der Biologie, 1920.

5. Die verschiedenen Theorien über das Leben, sehr übersichtlich bei Stöhr: Das Leben, 1910. Eine treffliche Darstellung des Mechanismus mit scharfer Polemik gegen die Vitalisten bietet das wertvolle Buch von J.Schultz: Die Maschinentheorie des Lebens, 1909. Vgl. dagegen E. Bechers Eintreten für den Vitalismus (Naturphilosophie, S. 414 f.), dem ich mich weitgehend anschließen kann. - Zur Klärung meiner Ansichten haben besonders die späteren Schriften Ed. v. Hartmanns beigetragen, die von der neueren Lebensphilosophie längst nicht genügend gewertet sind.

[272]
Kapitel III

§ 8. Sehr weit geht in der Annahme eines Bewußtseins für die Pflanze z. B. Francs: Leben der Pflanze, II, S. 106ff. Vgl. ferner Fechner: Nanna. oder über das Seelenleben d. Pflanzen. 1878. G. Haberlandt: Sinnesorgane im Pflanzenreich, 1901. A. Wagner: Streifzüge durch das Forschungsgebiet der modernen Pflanzenkunde, 1907 u. a.

§ 9. Von neueren Philosophen hat bes. Will. Stern auf überindividuelle Wesenheiten den Begriff der „Person” ausgedehnt. Vgl. sein Werk „Person und Sache”, das zwar in der Fassung des Begriffs „Person” stark abweicht von meinen Anschauungen, das ich jedoch auch von meinem Standpunkt aus als bedeutende Leistung würdigen muß.

Die Theorien, die den Staat als „Organismus” fassen, sehr übersichtlich dargelegt bei P. Barth: Philosophie der Geschichte als Soziologie.


Kapitel IV

Daß der Vitalismus notwendig zur Durchbrechung der mechanischen Kausalität führen muß, wird dargelegt von J. Schultz: Die Fiktionen der Biologie, 1920, S. 50.


Kapitel V

Eine der hier vorgetragenen Lehre sehr verwandte Anschauung in H. v. Keyserlings Werke „Unsterblichkeit”, 2. Aufl. 1911, das ich erst während der Ausarbeitung dieses Buches kennen lernte. Erst kürzlich erschienen: „Der Unsterblichkeitsgedanke als philosophisches Problem” von Heinrich Scholz, das eine sehr eindringende. Sichtung der Anschauungen bringt, allerdings an der Einheit der Individualität festhält.

Vgl. ferner Simmel: Lebensanschauung, 1918, den einschlägigen Teil. Zur biologischen Auffassung des Todes: A. Weismann: Über Leben und Tod, 1884; ders.: Über die Dauer des Lebens, 1882. Jennings: Age, death and conjugation Populär Science Monthly, 1912. Doflein: Das Unsterblichkeitsproblem im Tierreich, 1913. Minot: Moderne Probleme der Biologie, 1913. W. Schleip: Lebenslauf, Alter und Tod des Individuums, in „Kultur der Gegenwart”. Allgem. Biologie, 1915.


Kapitel VI

Die Mechanisierung des Lebens ist am tiefsten erfaßt von W. Sombart. Vgl. z. B. Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrh. 2. Aufl. 1909.

Druck von Radelli & Hille in Leipzig.

University of British Columbia Library


Erstellt am 07.09.2010 - Letzte Änderung am 24.10.2010.



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