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München, den 1. Nov. 1970
[Frau U. Andreuzzi]

Liebe Frau Hartwig!

Für Ihre Glückwünsche und lieben Zeilen zu meinem Namenstag danke ich sehr herzlich. auch möchte ich mich für Ihren Kartengruß bedanken, den Sie mir vor Ihrer Reise nach Rom sandten. Es freut mich, daß es Ihnen dort gefallen hat. Wir waren am 20. Sept. für einen Nachmittag in Rom gewesen. Es ist aber nicht mehr das was es einst war, wie überhaupt alles in Italien. Die Motorisierung nimmt immer größere Formen an, wie überall, und somit geht das gewisse Etwas leider unter. Aber wir schwelgten doch in wehmütigen Erinnerungen an unsere Hochzeitsreise vor 29 Jahren, fanden auch noch unser Hotel, na na, abends ging es dann per Schlafwagen zurück gen Norden. Wir verlebten unseren Urlaub auf der Insel Vulcano (Liparische Inseln vor Sizilien.) Es war der totalste Urlaub, den wir je gemacht hatten. Außer Bikini, bzw Badehose brauchte man nichts weiter. Morgens stand man bei Sonnenaufgang (7 Uhr Sommerzeit – also 6 Uhr) auf und da wir privat wohnten, dauerte das Frühstück zubereiten und frühstücken bis 8 - 1/2 9. Dann gings ins Fangobad, anschließend Schwefelbad, alles frei in der Natur, ohne Bewirtschaftung. Und danach wanderten wir zu unserer Schlangenbucht. Den Namen gaben wir ihr, weil sich eines Mittags eine braune lange Natter an meinem Kopf niederließ, um mit mir zu schlafen. Na, da war für den Rest des Urlaubs meine Mittagsruhe dahin. Wir bleiben bis 5 Uhr am Meer, liefen dann langsam zurück, über Lavaasche und -gestein, unter Mimosen- Eukalyptus- und Oleanderbäumen, immer, wie schon gesagt, im Badedress, machten unsere Abendbroteinkäufe, bereiteten das Essen und nach dem Verzehren war es auch schon fast dunkel und wir gingen ins Bett, denn Licht gab es nicht. Eine Besteigung und Besichtigung des Vulkans nahmen wir auch vor. Das war aber auch die einzigst Sache, die wir unternahmen, denn wir hatten ständig 30deg im Schatten (über Mittag mag es mehr gewesen sein. Ich weiß nur die Morgen- und Abendtemperatur.

Ja, und als wir dann zurückkamen [nach München, WH] kündigte uns der Wirt die Wohnung. Der Sohn heiratet und da unsere Wohnung die schönste im ganzen Haus ist, mußten wir dran glauben. Mein Mann bekam bald einen Herzinfarkt und wir überlegten verzweifelt, was wir tun sollten. Schließlich entschieden wir uns doch für die uns im Parterre angebotene, freigewordene. Da sie aber kein Bad hat, konnte sie der Sohn nicht nehmen, aber natürlich wir. Da wir uns aber hier in der Gegend nun schon zuhause fühlen und unsere Arbeitsstellen in der Nähe haben und auch keine Lust und Zeit haben uns andere zu suchen, griffen wir zu. Jetzt haben wir uns eine Gaszentralheizung einbauen lassen, augenblicklich ist der Elektriker drin und Maurer, dann kommen noch die Maler. Sie ist ca 65 qm groß und kostet kalt 210 DM. die jetzige kommt ab 1.1. DM 480,- alles kalt natürlich. Wir sind völlig erledigt, das kann ich Ihnen sagen. Kaum haben wir alles so hergerichtet wie wir wollten, gibts nen Knall und wir fangen wider von vorn an. Ich dachte, nun könnte ich auch mal endlich an mich denken – Pustekuchen. meine untere fällige Zahnprothese muß weiter warten. –

Im April war ich von der Bundesversicherungsanstalt nach Bad Abbach bei Regensburg im Rheumakrankenhaus zur Kur. Sie hat mir sehr gut getan. Hoffentlich hält es an. Im vorigen Jahr war es ja eine Katastrophe gewesen. Scheußlich, wenn man sich nicht bewegen kann. Im Büro gibt es eine Menge zu tun, man weiß oft nicht wie man es schaffen soll. Mein Mann muß auch viel Überstunden machen. Im Juli waren die Saarbrückner auf Urlaub hier. Enzo ist ein süßer Kerl, leider hat man gar nichts von ihm. Wir schicken uns immer Tonbänder, so daß wir wenigstens die Stimmen hören können. Weinachten wollten wir zusammen verleben, aber wie es den Anschein hat wird wohl nichts daraus werden. Wir werden mit der Wohnung nicht fertig. Die Kinder wollten zum Skilaufen in die Berge und wir sollten mit dem Jungen Schlitten fahren. Das Rodenstockheim am Tegernsee ist bereits ausgebucht, na ja, es kommt eben eins zum anderen. Silvia und Gerhard fahren über Weihnachten ins Fichtelgebirge. Wir haben uns fast 2 Jahre nicht mehr gesehen.

Ich weiß nicht, ob Sie es von andrer Seite schon gehört haben, daß Frau Thomas aus Lankwitz, Hafensteinstr., im Juni verstorben ist. Krebs, der bis ins Gehirn ging. Sie hat sehr leiden müssen. Herr Thomas war schon 2x bei den Kindern in Saarbrücken zu Besuch.

4.11. Inzwischen hatte ich einen Grippeanfall, den ich im Büro vom Sanitäter verarztet, zurückdämmen konnte, denn ich kann es mir einfach nicht leisten krank zu sein, weder hier zu Haus, noch im Büro – Man hat schon keinen Gedanken mehr für andere Dinge, nur Arbeit, Arbeit. Jetzt muß ich runter den Malerdreck aufwischen, der vom Abwasch der Decke entstanden ist. Würde mich mit meiner Erkältung lieber ins Bett legen. Also tschüß bis zum nächsten Schreiben.

Sonntag, d. 8. Nov. Heute haben wir unser Eisbeinessen vom Bund der Berliner. Um 12 Uhr fängt es an und ab 15 Uhr ist Tanz. Jetzt muß ich aber erst meine Maler versorgen. Gestern waren der Maurer und Elektriker hier zum Essen und jetzt die 2 Maler. Sie bekommen schon um 1/2 12 Uhr ihre Königsberger Klopse. Heute wird das Kaminzimmer fertig. Hoffentlich spuren die Heizungsmonteure und schließen die Zentralheizung an, damit die Maurersachen trocknen und die Maler weiterkönnen. Es ist genau derselbe Zirkus wie damals in der Overbeckstraße, nur das wir diesmal noch nicht drin wohnen. Nächstes Wochenende ist Aldo hier. Er bringt Winfried[?] mit, der dort in der Nähe einen Umschulungkursus mitmacht. Der arme Kerl hat durch seinen Kochberuf einen schweren Leberschaden davongetragen und muß den Beruf wechseln. Die Jungs wollen uns hier helfen, so weit es was zu helfen gibt. Teppiche und Läufer klopfen. Den Läufer muß Aldo zerschneiden und dann die Gardinenstangen anbringen. Nun es wird sicher lebhaft zugehen, denn wenn sie auch inzwischen Familienväter geworden sind, wenn die beiden mal von ihren Frauen losgekommen sind, dann fühlen sie sich hier in die Jugendzeit zurückversetzt und toben genau so wie damals in der Overbeckstr. So stell ich mir das vor und so wird es bestimmt auch werden. Aldo hat sich schon Annanasspeise bestellt. (Ich weiß teilweise die Rezepte gar nicht mehr, weil ich ja kaum noch koche oder backe) – letzteres zum Leidwesen meiner Kolleginnen.

17.11. Am Wochenende waren die Jungs hier. Ich hatte beide Tage für 7 Personen zu kochen, denn die Maler sollten bei guter Laune gehalten werden. Es war mal wieder schön mit den Kindern. Aldo konnte noch 1 Zimmer vom 26.12. - 3.1. in Tegernsee bekommen u. wir 1 Zimmer im Rodenstockheim in St. Quirin, nur in paar Meter vom Ort Tegernsee entfernt, so können wir die Tage doch zusammen verbringen. Heiligabend u. 1. Feiertag werden wir also in der neuen Wohnung zusammen bleiben. Das erste Weihnachten unseres Enkels. Aldo hat ihn gefilmt. Ein lebhafter kleiner Bursche. In dieser Woche wird der Flur gemacht. Wir hoffen am 28.11. endlich einziehen zu können. Aldo und Winfried wollen dazu nochmal herkommen. Wir sind vollkommen k.o. Unsere Hauswartsfrau hat mir das eine Zimmer sauber geputzt um uns eine Freude zu machen, damit wir nicht schlapp machen. – So meine liebe Frau Hartwig. (Habe auf dem Umschlag ein neues Farbband ausprobiert, daher der Fehler) Nun wünsche ich Ihnen, Ihrem Mann und den Jungs viele herzliche Grüße

Ihre Andreuzzis.



Ca. 1955 in Lankwitz, Trippsteinstraße
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